Wirtschaftliche und strafrechtliche Risiken aus Anlass der Beschäftigung freier Mitarbeiter

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Stellt sich heraus, dass der freie Mitarbeiter tatsächlich Arbeitnehmer war, erwachsen daraus erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Folgen.

I. Einleitung

Spätestens bei der regelmäßigen Betriebsprüfung oder in einem Gerichtsverfahrens aus Anlass der Beendigung der Zusammenarbeit stellt sich die Frage, ob die Honorarkraft nicht tatsächlich Arbeitnehmer war. Nicht selten wählt die kurzfristig gekündigte Honorarkraft den Weg zum Arbeitsgericht, schon weil im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Gerichtskostenvorschüsse zu leisten sind und das Druckpotential eines Prozesses gegen den Auftraggeber in viele Fälle zu einem „Abfindungsvergleich“ führt.
Die Betriebsprüfer der Rentenversicherung und der Finanzämter verlangen zielorientiert, die Vorlage der Unterlagen über sog. Fremdleistungen und die dazugehörenden Verträge und Rechnungen. Die von einer der vorgenannten Behörden gewonnenen Daten werden zwischen den Behörden ausgetauscht. (§ 31a AO,§ 68 SGB X).
Die Gerichte haben „grundsätzlich“ die in ihren Verfahren gewonnenen Erkenntnisse von Steuerstraftaten an das Bundesamt für Steuern in Bonn zu melden (§ 116 AO).

II. Folgen der nachträglichen Feststellung der Scheinselbständigkeit

1. Abwicklung des gescheiterten freien Mitarbeiterverhältnisses im Arbeitsrecht
Handelt es sich tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis stellt sich die Frage, wie dieses Rechtsverhältnis für die Vergangenheit abzuwickeln ist. Die Fiktion des Nettogehalts nach § 14 II 2 SGB IV findet nach Auffassung des BAG auf das Arbeitsrecht keine Anwendung (BAG, NZA 2010, 881; BAG, ArbRAktuell 2012; Bodem AuA 2009, 540) Das Honorar ist daher Bruttoarbeitsentgelt.
In Einzelfällen haben die Unternehmen daher einen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Honorars, wenn es Vergütungsstrukturen in den Unternehmen gibt, wonach der freie Mitarbeiter als Arbeitnehmer eine geringere Verfügung erhalten hätte. Haben die Parteien bewusst das Arbeitsrecht umgangen, um Sozialversicherungsabgaben zu ersparen, wird man den Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers aber aufgrund seiner Kenntnis an § 814 BGB scheitern lassen müssen.
Praxistipp: Der Arbeitgeber ist gut beraten, mögliche Ansprüche auf Rückzahlung überzahlter Gehälter unter Beachtung vertraglicher bzw. tariflicher Verfallsfristen und der Verjährungsfristen sofort schriftlich einzufordern und ggfs. vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. (BAG, a.a.O.) Nicht selten wird der Auftraggeber ein höheres Honorar gezahlt haben, als einem vergleichbaren Arbeitnehmer.
2. Abwicklung des gescheiterten freien Mitarbeiterverhältnisses im Sozialversicherungsrecht
Das wesentliche wirtschaftliche Risiko der Beschäftigung freier Mitarbeiter besteht in den möglichen sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer nicht beabsichtigten Beschäftigung iSd. § 7 SGB IV. Problematisch ist in diesem Fall die rückwirkende Abwicklung für den Arbeitgeber, weil er den Arbeitnehmer grundsätzlich zunächst damit entgegen § 28a SGB IV nicht fristgerecht angemeldet und die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat.
Zudem kann die „Nettolohnfiktion“ nach § 14 II 2 SGB IV greifen. Das Honorar ist dann Nettoarbeitsentgelt und wird im sog. Abtastverfahren (vgl. BSG, BeckRS 2009, 66249) nach Steuerklasse VI hochgerechnet. Im Regelfall hat der Unternehmer die Sozialversicherungsbeiträge „nur“ auf das monatliche Honorar berechnet, abzuführen, soweit ihm kein Vorsatz nachgewiesen werden kann.
Die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge sind vom Arbeitgeber als zusätzlicher Arbeitslohn, zu tragen (BFH, BFHE 171, 409; BAG, AP BGB § 670 BGB Nr. 19, zu I 2 der Gründe), mit befreiender Wirkung für den Arbeitnehmer (BSG, NZA 2003, 485).
Praxistipp: Den sichersten Weg stellt das Verfahren der Statusfeststellung vor Beginn der Zusammenarbeit dar. (§ 7a SGB IV) Die Entscheidung erfolgt anhand der eingereichten Unterlagen, die den von der DRV Bund verlangten Kriterien angepasst werden können.
In jedem Fall sollte der Auftraggeber aus Anlass einer Klage des freien Mitarbeiters vor dem Arbeitsgericht unverzüglich den Antrag auf Statusfeststellung bei der DRV Bund stellen, da Widerspruch und Klage gegen den Feststellungsbescheid der DRV Bund über den Status aufschiebende Wirkung haben (§ 7a VII SGB IV) und erst mit Bestandskraft zu der Möglichkeit der Einzugsstelle führen, den Beitragsbescheid zu erlassen. Diese Zeit wiederum kann der Arbeitgeber nutzen, um ggfs. einen Vergleich mit der Einzugsstelle über die Tatsachen zur Feststellung der Höhe und Stundung der nachzuzahlenden Beiträge zu schließen, insbesondere um der Anwendung von § 14 II 2 SGB IV zu entgehen.
3. Abwicklung des gescheiterten freien Mitarbeiterverhältnisses im Steuerrecht
In der Frage der Beurteilung einer abhängigen Beschäftigung besteht zwischen dem Steuerrecht einerseits und dem Arbeits- bzw. Sozialversicherungsrecht andererseits keine Bindungswirkung (BFH,NV 2008,1133; EStR § 15.1 Abs. 1 Absatz 3.) Auch im Steuerrecht findet die Regelung des § 14 II 2 SGB IV keine Anwendung. Das Finanzamt kann bis zur Grenze der Festsetzungsverjährung den Auftraggeber für die an sich einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer in Haftung nehmen, wenn sich später herausstellt, dass das Rechtsverhältnis tatsächlich ein Arbeitsverhältnis war. Der Arbeitgeber haftet nach § 42d EStG für etwaige nicht entrichtete Steuern. Hat der Mitarbeiter während der Zusammenarbeit keine oder zu wenig Steuern gezahlt, sieht sich der Arbeitgeber vor dem Problem einer möglichen Haftung gegenüber dem Finanzamt, denn grundsätzlich tritt die Arbeitgeberhaftung auch dann ein, wenn die Einkommensteuer wegen bestandskräftiger Einkommensteuerveranlagung bei dem Arbeitnehmer nicht beigetrieben werden kann (Schmidt/Drenseck, § 42d EStG Rn. 31) Hat der Scheinselbständige daher Einkommensteuern nicht oder verkürzt entrichtet und geraten die Parteien über die Statusfrage des freien Mitarbeiters in Streit, droht der Auftraggeber vom Finanzamt in Haftung genommen zu werden. Für den freien Mitarbeiter führt die Feststellung der abhängigen Beschäftigung dazu, dass er seine Umsatzsteuererklärungen rückwirkend zu korrigieren und die vereinnahmten Vorsteuern an das Finanzamt zu erstatten hat. Zudem wird das Finanzamt die Einkommensteuererklärungen unter Berücksichtigung des rückwirkenden Wegfalls der selbständigen Tätigkeit und der Angaben zu den Gewinnen und Verlusten aus selbständiger Tätigkeit korrigieren.
Praxistipp: Steuerschuldner der Einkommensteuer ist der Arbeitnehmer. (§ 38 Absatz II EStG) Den Arbeitgeber trifft die Pflicht, die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Bei „gescheiterten freien Mitarbeiterverhältnissen“ kann der Arbeitgeber diese Pflicht nachträglich aber regelmäßig nicht mehr erfüllen. Zudem ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Feststellung des Beschäftigungsverhältnisses häufig bereits beendet. Die Haftung des Arbeitgebers ist aber in den Fällen des § 42d II EStG iVm. § 41c IV EStG ausgeschlossen. Der Arbeitgeber hat daher aus Eigeninteresse zwingend nach § 41c IV EStG das Finanzamt unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen, dass die Lohnsteuer aus den in § 41c IV EStG genannten Gründen nicht vorschriftsmäßig durch ihn einbehalten werden kann. In diesem Fall kann er nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Klagt der Auftragnehmer auf Feststellung seiner Arbeitnehmereigenschaft, sollte der Auftraggeber daher unverzüglich das Finanzamt hierüber in Kenntnis setzen, dass ggfs. ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Finanzamt wird sich in diesem Fall an den Arbeitnehmer wenden.
4. Strafrechtliche Folgen der Feststellung der Scheinselbständigkeit
Erfolgt die Beschäftigung freier Mitarbeiter allein aus dem Grund, Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge zu ersparen, wird der Unternehmer Täter einer Lohnsteuerhinterziehung sein. Zudem kommt die Strafbarkeit nach § 266a StGB wegen der Nichtabführung der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Betracht.
Der BGH stellt zu diesen Fragen fest: Das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu bestimmen, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind. In diese Gesamtbetrachtung sind insbesondere die Frage des Bestehens eines umfassenden Weisungsrechts, das Inhalt, Zeit, Ort und Dauer der Tätigkeit umfasst, die Gestaltung des Entgelts und seine Berechnung, Art und Ausmaß der Einbindung in den Betriebsablauf des Arbeitgeberbetriebes sowie die Festlegung des täglichen Beginns und des Endes der konkreten Tätigkeit einzustellen. (BGH, Urteil vom 05.08.2015 – Aktenzeichen 2 StR 172/15)
Zudem führt der BGH in einer weiteren Entscheidung aus, der betroffene Unternehmer habe um sämtliche tatsächlichen Umstände, die seine Eigenschaft als Arbeitgeber i.S.d. § 266a StGB und § 41 EStG begründet haben gewußt. Zwar habe er behauptet, er sei trotz Kenntnis aller tatsächlichen Umstände davon ausgegangen, kein Arbeitgeber zu sein. Ein solcher Irrtum wäre nach Ansicht des BGH aber lediglich als ein für den Vorsatz irrelevanter Subsumtionsirrtum einzuordnen. Er könne daher allenfalls einen Verbotsirrtum begründen, der jedoch durch die Einleitung eines Statusverfahrens nach §7a I 1 SGB IV zu vermeiden gewesen wär (BGH 07.10.2009 – 1 StR 478/09, NJW Spezial 2010, 57)
Der Auftraggeber des Scheinselbständigen kann ggf. eine Umsatzsteuerhinterziehung begehen, weil er die zu Unrecht in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer des scheinselbständigen Nichtunternehmers als Vorsteuer in seinen Umsatzsteuervoranmeldungen bzw.-jahreserklärungen wider besseren Wissen geltend macht.
In allen anderen Fällen, in denen die Vermeidung der Sozialversicherungsabgaben im Vordergrund steht und nur aus diesem Grund ein Honorarvertrag gewählt wird, findet § 14 II 2 SGB IV auch bei der Berechnung der nach § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge in den Fällen illegaler Beschäftigung Anwendung (Schadensberechnung). Das hat der BGH schon in 2009 (NJW 2009, 528) bestätigt und so eine einheitliche Ermittlung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung und im Strafrecht eröffnet.

III. Fazit

Droht ein freies Mitarbeiterverhältnis – aus welchem Grund auch immer – zu scheitern, muß der Auftraggeber schnell reagieren und unverzüglich das Finanzamt informieren, ebenso wie er das Statusfeststellungsverfahren vor der DRV Bund schnellstmöglich beantragen muss.
Grundsätzlich ist von einer dauerhaften Zusammenarbeit mit „freien Mitarbeitern“ abzuraten; das gilt gerade dort, wo der zeitliche Umfang und das Erfordernis, durch Weisungen auf die Arbeit Einfluss nehmen zu müssen, stark ausgeprägt sind.
Problematisch sind nicht selten Honorarverträge für Tätigkeiten, die im Unternehmen zugleich durch Arbeitnehmer erbracht werden. Das Risiko der nachträglichen Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge, ggfs. auf der Grundlage eines „fiktiven Nettolohns“ (§ 14  II 2 SGB IV) nebst den dann fällig werdenden Säumniszuschlägen von 1% pro Monat kann für den Auftraggeber ungeachtet der strafrechtlichen Konsequenzen und steuerrechtlichen Haftungsrisiken den Weg in die Insolvenz bedeuten.
Ist der Auftraggeber und der Auftragnehmer von einer selbständigen Tätigkeit überzeugt, spricht alles für eine vorherige, jedenfalls aber zeitgleiche Beantragung der Statusfeststellung nach § 7a SGB IV.
Das Statusverfahren ist der einzig sichere Weg angesichts der Konsequenzen § 14 II 2 SGB IV, § 266a StGB. In Einzelfällen ist zudem an gesellschaftsrechtliche Alternativen der Zusammenarbeit ebenso zu denken wie an die befristete Anstellung als Arbeitnehmer.

Rechtsanwalt in Berlin, Marcus Bodem
Marcus Bodem (Gastautor)
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin
Arbeitsrecht
Tel.: +49 30-31 000 88
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