Was muss ein Arbeitgeber wissen, um strafrechtlich belangt werden zu können? (zu § 266a StGB)
Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 24.01.2018 (Az: 1StR 331/17) befasst. Es ging dabei – erneut – um die Frage der Beschäftigung ausländischer Scheinselbständiger.
Der aus Polen stammende Angeklagte selbst hatte in Deutschland, ebenso wie ca. 15 weitere mit ihm verwandte oder bekannte, ebenfalls aus Polen stammende Personen ein Gewerbe angemeldet und auf Baustellen Abriss-, Maurer-, Rohbau- und Putzarbeiten angeboten, die auf Stundenbasis abgerechnet wurden. Sämtliche Personen waren in Deutschland unter einer Adresse erreichbar. Sie hatten eigenes Werkzeug und unterhielten einen Lagerraum für Baumaterialien.
Der Angeklagte hatte sich steuerlich und rechtlich bei der Aufnahme seiner Tätigkeit beraten lassen, weshalb der Bundesgerichtshof nun zu klären hatte, ob der Angeklagte wusste, dass die durch ihn aufgenommene Tätigkeit keine selbständige und sozialversicherungsfreie Tätigkeit war und auch die übrigen ausländischen Personen sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten erbrachten.
Der vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Lebenssachverhalt spielte im Zeitraum September 2004 bis September 2007, also in einem Zeitraum, in dem die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland nach der sogenannten „2 plus 3 plus 2- Regelung“ noch eingeschränkt war, also der Arbeitsmarkt für die betroffenen, neu der Europäischen Union hinzugetretenen Mitgliedsstaaten für den Bereich des Baugewerbes und Teile des Handwerks nicht uneingeschränkt zugänglich war. Polen gehörte damals zu diesen, von den Beschränkungen der Arbeitsmarktfreizügigkeit betroffenen EU-Mitgliedsstaaten.
In der Folge dieser Beschränkungen gab es eine Vielzahl zwischenzeitlich bekannt gewordener Fälle, in denen Berater, die den in Deutschland eine Tätigkeit aufzunehmen Suchenden die Voraussetzungen einer nicht von der Arbeitnehmerfreizügigkeit betroffenen selbständigen Tätigkeit erläutert haben.
Teilweise konnte eine wirksame selbständige Tätigkeit aufgenommen werden, teilweise wurde nur versucht, den Rahmen der selbständigen Tätigkeit zum Schein einzuhalten, wobei es sich tatsächlich um eine nichtselbständige Tätigkeit ohne unternehmerisches Risiko und ohne Unternehmerinitiative handelte. Hierzu sind verschiedene Kriterien zu prüfen. Die wohl maßgeblichsten Kriterien sind die Frage, inwieweit der Betroffen tatsächlich selbst werbend mit seiner Dienstleistung am Markt auftritt, selbst Aufträge mit allen damit verbundenen Risiken zu akquirieren versucht und dabei auch das Risiko einer Haftung trägt oder vielmehr reine Hilfstätigkeiten ausübt, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist, sich hierbei dem Weisungsrecht eines Dritten unterstellt und keinen Erfolg seiner Arbeit schuldet, sondern auf Stundenbasis abrechnet.
In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall handelte es sich wohl mittlerweile unstreitig auch um einen der letztgenannten, damit sozialversicherungspflichtigen Fälle. Fraglich war nur, inwieweit dies dem Angeklagten aufgrund der erfolgten steuerlichen wie rechtlichen Beratung bekannt war.
Der Bundesgerichtshof hat hierbei eine bemerkenswert deutliche Unterscheidung des für eine Strafbarkeit nach § 266a StGB – wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Sozialversicherungsbeiträgen erforderlichen Vorsatzes in Abgrenzung zur Steuerhinterziehung bestätigt, Irrtumsfolgen für beide Delikte allerdings angeglichen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es für eine strafbare Handlung nach § 370 Abgabenordnung erforderlich, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will.
Für die Strafbarkeit nach § 266a StGB reicht es hingegen jedoch aus, dass der Täter die statusbegründenden Umstände, die ihn zum Arbeitgeber machen, kennt, unabhängig davon, ob ihm bewusst ist, dass er damit Beiträge zur Sozialversicherung für sich als Arbeitgeber und für den Arbeitnehmer abführen muss.
Soweit der Täter über seine Steuerpflicht oder Arbeitgebereigenschaft und die daraus folgende Beitragspflicht jedoch tatsächlich irren sollte, könnte dies – so der BGH – jedoch auch als vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum zugunsten des Täters zu werten sein. Es kommt damit darauf an, was der Arbeitgeber über seine Eigenschaft als Arbeitgeber wirklich wusste, damit er strafrechtlich haftbar gemacht werden kann…
Alexander Littich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und für Steuerrecht in München, Landshut, Regensburg und Leipzig
Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht
Tel.: +49 871-96 21 6-25
E-Mail