Typische Fallstricke aus der Praxis: Strafrechtliches Risiko bei vertraglicher Gestaltung
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Regelmäßig stolpern Arbeitgeber über den hier beschrieben Beispielsfall. Es soll im Folgenden aufgezeigt werden, worin die Risiken bestehen und welche Strafen drohen können.
Fallbeispiel: Arbeitnehmerüberlassung
Der im Grenzbereich zur tschechischen Republik ansässige Bauunternehmer B hat aufgrund der hohen Auftragslage einen kurzfristigen Mehrbedarf an Arbeitnehmern. Vor allem im Bereich der Malerarbeiten sieht er einen Handlungsbedarf.
Er möchte seine Stammbelegschaft aber nicht dauerhaft vergrößern, weil er nicht von so einem dauerhaft hohen Auftragsniveau ausgeht.
Deshalb möchte er sich von einem bekannten Unternehmer U für die anfallende Mehrbelastung ein paar Mitarbeiter ausleihen. U betreibt einen umfassenden Baubetrieb und wird je nach Auftrag als Generalunternehmer tätig. Er bedient aber auch nur einzelne Gewerke.
Die entliehenen Mitarbeiter sollen auf den Baustellen aushelfen und den Mehrbedarf an Arbeit abdecken. Der bekannte Unternehmer verfügt aber nicht über eine Verleiherlaubnis und hat diese auch noch nicht beantragt.
Einordnung des Fallbeispiels
a) Illegale Arbeitnehmerüberlassung
Es gilt Folgendes zu berücksichtigen. Der Unternehmer B könnte sich hier bei Durchführung der Verleihung gemäß § 266a Abs. 1 und 2 StGB und § 370 AO strafbar machen. Ferner droht ein erhebliches Bußgeld.
aa) § 266a StGB
Die Arbeitnehmerüberlassung (auch Zeitarbeit oder Leiharbeit genannt) ist stets erlaubnispflichtig. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung stellt ein Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) einen oder mehrere seiner Arbeitnehmer zur Verfügung. Der Entleiher setzt den entliehenen Arbeitnehmer dann in seinem Betrieb ein und ist diesem gegenüber weisungsberechtigt. Der Zeitarbeiter erbringt die geschuldete Arbeitsleistung dem Entleiher gegenüber. Der Zeitarbeiter bleibt aber Arbeitnehmer seines Arbeitgebers.
Werden aber ohne entsprechende Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitnehmer an Dritte (hier B) verliehen, so sind die geschlossenen Verträge zwischen Verleiher, Arbeitnehmer und Entleiher unwirksam, § 9 Nr. 1 AÜG.
Als Folge dessen wird der entliehene Arbeitnehmer als Angestellter des Entleihers betrachtet und es entsteht ein Arbeitsverhältnis zwischen diesen beiden Personen, § 10 Abs. 1 Hs. 1 AÜG. Dadurch entstehen auf Seiten des Entleihers die typischen Arbeitgeberpflichten, inklusive der daraus folgenden Pflichten zur Entrichtung der fälligen Sozialabgaben.
Da der bekannte Unternehmer nicht über eine Verleiherlaubnis verfügt und diese noch nicht beantragt hat, würde B gegen das AÜG verstoßen. Es würde eine illegale Arbeitnehmerüberlassung vorliegen.
Mangels Verleiherlaubnis nach § 9 Nr. 1 AÜG wäre also der zwischen B und U geschlossene Leiharbeitsvertrag unwirksam. Folglich entstünde ein Arbeitsverhältnis zwischen B und den Leiharbeitnehmern. Inhalt und Dauer des entstandenen Arbeitsverhältnisses bestimmen sich dann nach den Begebenheiten des Entleihbetriebs. Der Leiharbeitnehmer hätte zudem nach § 10 AÜG auch einen Anspruch auf die gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaft des B (sog. Equal Pay). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Zeitarbeiter verpflichtet ist, denselben Lohn auszuzahlen, den ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihbetriebs verdient.
Hieraus entsteht nun aber für den Unternehmer B das strafrechtliche Risiko. Aufgrund des entstandenen Arbeitsverhältnisses hätte er die hierauf entfallenen Sozialabgaben und die Lohnsteuer abzuführen. Da in der Regel Leiharbeitnehmer weniger verdienen, wird aber aufgrund des Grundsatzes des Equal Pay zu wenig entrichtet.
Schließlich ist B auch tauglicher Täter, da er als Arbeitgeber der Zeitarbeiter zu qualifizieren wäre. Er ist dienst- und weisungsberechtigt und es liegt eine Betriebsintegration vor.
bb) § 370 AO
Zudem würde unter den Voraussetzungen des § 42d Abs. 7 i. v. m. Abs. 6 EStG eine Lohnsteuerhinterziehung nach § 370 AO drohen, da B nicht die zu entrichtende Lohnsteuer abgeführt hätte.
cc) Zwischenergebnis Fallbeispiel
Als Folge dessen verwirklicht der Unternehmer B den Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB und einer Lohnsteuerverkürzung nach § 370 AO.
dd) Verstoß gegen § 1b S. 1 AÜG
Nach § 1b S. 1 AÜG ist Zeitarbeit in Betrieben des Baugewerbes grundsätzlich verboten. Ein solcher Betrieb ist nach § 101 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 1 BaubetrV üblicherweise ein Betrieb, dessen gewerbliche Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringen. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, § 101 Abs. 2 S. 2 SGB III.
Die Rechtsprechung legt den Begriff „Betriebe des Baugewerbes“ im Rahmen des § 1b AÜG jedoch enger aus und erstreckt ihn nur auf Betriebe des Bauhauptgewerbes, also solche des § 1 BaubetrV. Die Baunebenbetriebe im Sinne des Negativkatalogs des § 2 BaubetrV sind hingegen nicht umfasst.
Das Verbot nach § 1b S. 2 AÜG gilt nicht zwischen Betrieben des Baugewerbes und anderen Betrieben, wenn diese Betriebe erfassende, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge die Überlassung erlauben.
Der verleihende Betrieb muss nachweislich seit mindestens drei Jahren von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder von deren Allgemeinverbindlichkeit erfasst werden und eine Verleiherlaubnis vorliegen haben.
Der Entleih von Arbeitern im Bauhauptgewerbe kann gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 AÜG mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 EUR geahndet werden.