Steuerstraftaten bald 25 Jahre verfolgbar?
Der nächste „Wumms“ der Regierung?
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung, der sogenannte „Wumms“ für den wirtschaftlichen Aufschwung nach der coronabedingten in der Wirtschaft, muss finanziert werden.
In Berlin wurde schon länger diskutiert, die zeitlichen Grenzen der Strafverfolgung von Steuerhinterziehern zu verlängern (vgl. etwa http://dip21.bundestag.de). Nun hat das Bundesfinanzministerium am 12.06.2020 den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona Steuerhilfe-Gesetz, https://www.bundesfinanzministerium.de) vorgelegt.
Neben einer Vielzahl steuerlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Folgen enthält der Entwurf etwas versteckt unter dem derzeit beliebten Deckmantel „Corona“ eine Ausweitung der bisher geltenden Regeln für die Verfolgungsverjährung der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen.
Besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung
Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung liegt z.B. dann vor, wenn in einem Jahr 50.000 Euro oder mehr an Einkommensteuer oder Umsatzsteuer hinterzogen wurde. Ein besonders schwerer Fall liegt aber auch dann vor, wenn durch die Gründung einer sog. Drittstaat-Gesellschaft z.B. auf den Bahamas (https://www.spiegel.de) Steuervorteile erlangt wurden. Hatte die Regierung eigentlich nur die aktuellen Fälle von Cum/Ex (vereinfacht erklärt hier https://www.tagesschau.de) oder auch Cum/Cum im Auge, könnte die Erweiterung der absoluten Strafverfolgungsverjährung auch viele Privatpersonen und auch Unternehmen treffen.
Bisher längstens 20 Jahre
Die Länge der Verjährungsfrist bestimmt sich grundsätzlich nach der Höhe der gesetzlich angedrohten Höchststrafe. Für eine einfache Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 Absatz 3 Nummer 4 StGB). Davon abweichend bestimmt § 376 Abs. 1 AOseit 2008, statt einer fünfjährigen eine zehnjährige Verjährungsfrist für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung. In diesen Fällen kann sich die zehnjährige Frist zudem auf bis zu 20 Jahre verlängern, wenn innerhalb der 10 Jahre nach der Tat ein Ermittlungsverfahren bekanntgegeben wurde und danach sog. Unterbrechungshandlungen, wie etwa Durchsuchung, Vernehmung des Beschuldigten oder auch die Anklageerhebung vorgenommen werden. Da die steuerliche Festsetzungsfrist nicht abläuft, solange die Steuerhinterziehung nicht verjährt ist (§ 171 Abs. 7 AO), ist innerhalb einer solchen Zeitspanne auch noch eine Änderung von Steuerbescheiden möglich. Nach Ablauf von 20 Jahren ist bislang jedoch Schluss. Es können dann weder Strafen verhängt werden, noch kann die Steuer nachträglich erhoben werden.
Extreme strafrechtliche und finanzielle Auswirkungen
Sollte sich die Regierung mit den Plänen durchsetzen und die absolute Verfolgungsverjährung für besonders schwere der Fälle der Steuerhinterziehung um fünf Jahre verlängern, so hätte dies erhebliche Folgen für Steuerhinterzieher. Die Ermittlungsbehörden hätten deutlich mehr Zeit und könnten mit verstärkter Akribie Sachverhalte ausermitteln; das Finanzamt hätte aufgrund der Vorschrift des § 171 Abs. 7 AO (https://www.gesetze-im-internet.de) auch die Möglichkeit, die Steuern für 25 Jahre nachzuerheben. Pro Jahr würden dann noch 6% Zinsen (https://www.gesetze-im-internet.de) hinzukommen.
Jetzt handeln!
Eine verlängerte Strafverfolgungsmöglichkeit wird nur auf solche Fälle anwendbar sein, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung noch nicht nach den bisherigen Regelungen verjährt sind. In Fällen, in denen das Ermittlungsverfahren jedoch bereits eingeleitet wurde, verlängert sich die Strafverfolgungsverjährung entsprechend.
Eine vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung eingereichte Selbstanzeige müsste jedoch entsprechend der weiterhin geltenden gesetzlichen Vorgaben (https://dejure.org) nur die Steuerstraftaten der letzten zehn Kalenderjahre umfassen. Die Erweiterung der Verfolgungsverjährung wirkt sich hier nicht aus.
Kritik
Strafrecht ist „ultima ratio“, das letzte Mittel. Diesen Satz lernt jeder Jurastudent im ersten Semester und ist Ausdruck unseres Verständnisses von Demokratie. Strafrecht sollte nicht dazu dienen, Staatsschulden zu finanzieren. Mag die geplante Gesetzesänderung aufgrund immer neuer und komplexerer Möglichkeiten von Steuerhinterziehung mit entsprechendem Ermittlungsaufwand für die Strafverfolgungsbehörden auch nachvollziehbar sein; der Zeitpunkt und der Zusammenhang der geplanten Gesetzesänderung überzeugen nicht.
Alexander Littich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und für Steuerrecht in München, Landshut, Regensburg und Leipzig
Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht
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Dr. Janika Sievert
Rechtsanwältin in Würzburg und München, Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht
Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Medizinstrafrecht
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