Steuerhinterziehung geht in die Verlängerung!
Erneute Verschärfung der Verfolgungsmöglichkeiten bei Steuerhinterziehung – verschärfte Voraussetzungen für die strafbefreiende Selbstanzeige
Eine wichtige, jedoch fast unbemerkte Änderung hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2020 eingeführt (https://www.bgbl.de/xaver/bgbl…).
Steuerhinterziehung jetzt 15 Jahre verfolgbar!
Die strafrechtliche Verjährung wurde bei Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung von bislang 10 Jahren auf 15 erhöht. Die absolute Verjährungsfrist, also die Frist, wann eine Tat unabhängig von eventuellen Unterbrechungen, z.B. durch Ermittlungsmaßnahmen, spätestens verjährt, beträgt nun lange 37,5 Jahre.
Der wahrscheinlich häufigste Anwendungsfall liegt bei der Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“, also ab einer Steuerverkürzung von 50.000 Euro. Ein solcher Betrag ist im Rahmen der Umsatzsteuer, der Einkommensteuer vermögender Privatpersonen oder bei Schenkungen oder Erbschaften schnell erreicht.
Aber auch die bislang unentdeckte Geldanlage in Steueroasen kann nun länger strafrechtlich verfolgt werden.
Zudem plant der Gesetzgeber derzeit, die Steuerhinterziehung durch Banden auch auf die Fälle der Verkürzung von z.B. Einkommensteuer, Lohnsteuer und Erbschaftsteuer auszuweiten (Bandenmäßige Steuerhinterziehung – Rechtsanwälte für Wirtschaftsstrafrecht (ecovis.com)). Sobald diese Gesetzesänderung in Kraft tritt, gilt auch hier die 15jährige Verjährungsfrist.
Rückwirkung!
Die Gesetzesänderung gilt für alle Taten, die bei Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes am 29.12.2020 noch nicht verjährt waren.
Auch für Selbstanzeigen wichtig!
Diese Änderung ist unbedingt bei Abgabe einer Selbstanzeige nach § 371 AO zu beachten. Denn eine wirksame Selbstanzeige setzt Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre voraus. Damit müssen nun besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung über einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren offen gelegt werden; dabei ist die Bestimmung des Beginns der strafrechtlichen Verjährung von großer Bedeutung.
Bereits vor der Gesetzesänderung eingereichte, aber noch nicht durch die Finanzverwaltung geprüfte Selbstanzeigen sind jedoch noch nach der alten Rechtslage zu behandeln.
§ 171 Abs. 7 AO beachten
Bei Steuerhinterziehung läuft auch die steuerliche Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat nicht verjährt ist (§ 171 Abs. 7 AO). Bei einer besonders schweren Steuerhinterziehung läuft die Festsetzungsverjährung damit nicht vor Ablauf von 15 Jahren nach der Beendigung der Tat ab. Der Mandant ist unbedingt auf die notwendige Liquidität hinzuweisen; von dieser hängt bei einer Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung ab.
Beispiele
- A hat für das Jahr 2009 keine Einkommensteuererklärung eingereicht, obwohl er Kapitaleinkünfte in Höhe von 100.000 Euro erzielt hat, die der Finanzverwaltung nicht automatisch mitgeteilt wurden.
Die strafrechtliche Verjährung beginnt hier mit dem Abschluss der Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen, also im Mai 2011. Nach alter Rechtslage, § 376 Abs. 1 AO a.F., wäre seine Tat Ende Mai 2021 strafrechtlich verjährt gewesen; A wäre wahrscheinlich noch einmal davon gekommen. Da seine Tat aber im Zeitpunkt der Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung recht knapp noch nicht verjährt war, muss A jetzt fünf Jahre länger bangen – und hat nochmals eine längere Chance, mittels Selbstanzeige zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Allerdings dürfen nun auch für 15 Jahre Hinterziehungszinsen festgesetzt werden. - Der B hat am 01.08.2018 von seinem Vater eine große Erbschaft gemacht und hätte 78.000 Steuern entrichten müssen. Die Erbschaft wurde nicht der Erbschaftsteuerstelle angezeigt, eine Erbschaftsteuererklärung wurde auch nicht eingereicht. Die strafrechtliche Verjährung beginnt vier Monate nach der Erbschaft, am 01.12.2018. Am 15.12.2018 hat die Bußgeld- und Strafsachenstelle ein Steuerstrafverfahren gegen den B eingeleitet. Damit wird die 15jährige Verjährung unterbrochen und beginnt wieder von neuem. Eine solche Unterbrechungshandlung (z.B. Vernehmung des Beschuldigten, Durchsuchungsbeschluss, Klageerhebung) war bislang für max. 20 Jahre nach Beginn der Verjährung möglich. Bereits zum 01.07.2020 wurde diese sog. absolute Verjährung auf das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist von damals noch 10 Jahren, also 25 Jahre, verlängert. Da sich nun die gesetzliche Verjährung für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung auf 15 Jahre verlängert hat, beläuft sich die absolute Verjährung auf sagenhafte 37,5 Jahre. Angenommen, der B hat das Erbe im Alter von 50 Jahren angetreten, besteht nun die Chance, dass er den Abschluss seines Strafverfahrens nicht mehr erlebt…
Dr. Janika Sievert
Rechtsanwältin in Würzburg und München, Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht
Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Medizinstrafrecht
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Alexander Littich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und für Steuerrecht in München, Landshut, Regensburg und Leipzig
Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht
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