Pflegekräfte sind sozialversicherungspflichtig
Im Anschluss an das Urteil des Bundessozialgerichts über die Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten folgt nun eine Entscheidung über Pflegekräfte:
Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, sind in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht (Urteil vom 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R) https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/2019_22.html .
Zwar haben weder der Versorgungsauftrag einer stationären Pflegeeinrichtung noch die Regelungen über die Erbringung stationärer Pflegeleistungen nach dem SGB XI oder das Heimrecht des jeweiligen Landes eine zwingende übergeordnete Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status von in stationären Einrichtungen tätigen Pflegefachkräften. Regulatorische Vorgaben sind aber bei der Gewichtung der Indizien zur Beurteilung der Versicherungspflicht zu berücksichtigen. Sie führen im Regelfall zur Annahme einer Eingliederung der Pflegefachkräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur der stationären Pflegeeinrichtung, auch wenn sie nur tageweise oder in besonderen Bedarfslagen eingesetzt werden. Unternehmerische Freiheiten sind bei der konkreten Tätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung kaum denkbar.
Selbstständigkeit kann nur ausnahmsweise angenommen werden. Hierfür müssten gewichtige Indizien sprechen. Bloße Freiräume bei der Aufgabenerledigung, zum Beispiel ein Auswahlrecht der zu pflegenden Personen oder bei der Reihenfolge der einzelnen Pflegemaßnahmen, reichen hierfür nicht.
Ausgehend davon war die Pflegefachkraft im Leitfall beim Pflegeheim abhängig beschäftigt. Sie hat – nicht anders als bei dem Pflegeheim angestellte Pflegefachkräfte – ihre Arbeitskraft vollständig eingegliedert in einen fremden Betriebsablauf eingesetzt und war nicht unternehmerisch tätig.
An dieser Beurteilung ändert auch ein Mangel an Pflegefachkräften nichts: Die sowohl der Versichertengemeinschaft als auch den einzelnen Versicherten dienenden sozialrechtlichen Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht seien auch in Mangelberufen nicht zu suspendieren, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen.
Nachdem die Möglichkeit einer selbstständigen Tätigkeit für Pflegekräfte mit diesem Urteil nun erheblich beschränkt wurde, gilt es umso mehr, sich frühestmöglich Rechtssicherheit zu verschaffen. Dies am besten mit einem Statusfeststellungsverfahren. Hierbei unterstützen wir Sie gerne. Ebenso stehen wir für eine Ausarbeitung von Arbeitsverträgen von bisher selbstständigen Pflegekräften gerne zur Verfügung.
Als Folge dieser Entscheidung sind aus unserer Sicht verstärkt Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB gegen Pflegeheime, in denen selbstständige Pflegekräfte tätig sind oder waren, zu erwarten. Eine Selbstanzeige des Arbeitgebers – wie etwa in Fällen der Nichtabführung von Lohnsteuer möglich – ist hier nicht möglich; auch freiwillige Meldungen solcher Fälle werden erfahrungsgemäß zur Einleitung eines Strafverfahrens führen. Aus strafrechtlicher Sicht gilt es daher, diese Fälle und mögliche Handlungsalternativen gut zu überdenken. Auch auf etwaige Durchsuchungen sollten die Leitungen der Pflegeheime in jeglicher Sicht vorbereitet sein (Link zum Flyer; Tipps und Verhaltensempfehlungen finden Sie hier). In bereits laufenden Ermittlungsverfahren muss die Verteidigungsstrategie unbedingt auch im Hinblick auf diese neue Rechtsprechung abgestimmt werden; es steht zu erwarten, dass es immer schwieriger wird, die Ermittlungsbehörden davon zu überzeugen, dass Pflegekräfte wirklich selbstständig arbeiten konnten. Das BSG hat die Grenzen des hier Zulässigen nochmals um einiges enger gefasst.
Dr. Janika Sievert
Rechtsanwältin in Würzburg und München, Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht
Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Medizinstrafrecht
Tel.: +49 931-352 87 52
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