Neue Offenlegungspflicht abweichender Rechtsauffassungen
Das Steuerrecht bietet in der Praxis zahllose offene Auslegungsfragen von Gesetzestexten. Das liegt zum einen an den Gesetzestexten selbst, die mit unbestimmten Rechtsbegriffen scheinbar mehrere gesetzeskonforme Auslegungen ermöglichen. Zum anderen finden sich insbesondere im Umsatzsteuerrecht nicht kompatible nationale Gesetzesregelungen im Verhältnis zur übergeordneten Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union.
Die deutsche Finanzverwaltung legt die anzuwendenden Gesetze nach ihrem Verständnis und oft genug profiskalisch in Richtlinien, Erlassen oder BMF-Scheiben aus. Weicht nun der beratene Steuerpflichtige in seiner Beurteilung der Rechtslage bei der Abgabe seiner Steuererklärungen von dieser Auffassung der Finanzverwaltung ab, kann steuerstrafrechtlich ein Vorsatzvorwurf drohen, wenn die abweichende Rechtsansicht dem Finanzamt nicht zeitnah mit Einreichung seiner Steuererklärung offen gelegt wird. In elektronischen Steuererklärungen findet man allerdings oft keine Möglichkeit, dies in Freifeldern unmittelbar darzustellen. Hier bleibt nur die Möglichkeit, der elektronischen Steuererklärung unmittelbar ein entsprechendes Fax folgen zu lassen.
Nunmehr hat die Finanzverwaltung in den elektronisch zu versendenden Umsatzsteuervor-anmeldungen ab 2017 speziell ein solches Freifeld geschaffen. Wird daher künftig bei der Einreichung einer Umsatzsteuervoranmeldung dieses Feld nicht genutzt, obwohl eine von der Finanzverwaltung abweichende (aber vertretbare) Auffassung zugrunde gelegt wurde, dürfte es steuerstrafrechtlich eng werden. Vorausgesetzt natürlich, die andere Rechtsansicht setzt sich am Ende in der Rechtsprechung nicht durch.
Fazit: Gerade in der Umsatzsteuer gibt es in vielen Fällen von der Rechtsmeinung der Finanzverwaltung abweichende vertretbare Rechtsauffassungen zu Gunsten der Steuerpflichtigen. Sowohl Steuerpflichtige als auch deren Berater sollten das neue Freifeld in der Umsatzsteuervoranmeldung ab 2017 beachten, um einen steuerstrafrechtlichen Vorwurf zu vermeiden.