Nachträglicher Wegfall der Berechtigung zum Vorsteuerabzug?
Der erste Senat des BGH hat entschieden, dass eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht deshalb nachträglich wegfällt, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegen gestanden hätten, wenn er sie bereits bei Erhalt der Rechnungen bzw. der Gutschriften erkannt hätte (BGH, Beschluss vom 17.09.2019, 1 StR 240/19).
Dieser auf den ersten Blick sehr hypothetisch und kompliziert anmutende Leitsatz ist ein alltägliches Problem im Unternehmensalltag.
Der BGH weist darauf hin, dass im Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung konkrete Feststellungen zum Vorstellungsbild des Unternehmers bei fraglichen Lieferungen getroffen werden müssen. Ob eine Vorsteuerabzugsberechtigung gegeben ist oder nicht, ist dabei bereits eine Frage des objektiven Tatbestandes bei Steuerhinterziehung. Im zu entscheidenden Fall war der Angeklagte Geschäftsführer eines Unternehmens im Metall- und Schrotthandel. Für diese Firma gab der Angeklagte Umsatzsteuererklärungen ab. Auch machte er Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuern geltend, die auf erhaltenen Gutschriften oder Rechnungen über Schrottlieferungen an seine Firma ausgewiesen waren. Tatsächlich lagen diesen Rechnungen bzw. Gutschriften jedoch keine Lieferungen der als Rechnungsaussteller oder Gutschriftenempfänger fungierenden Firmen zugrunde. Vielmehr dienten diese Rechnungen bzw. Gutschriften ausschließlich dazu, die Warenlieferanten der Schrottlieferungen, welche die Firma des Angeklagten aber tatsächlich erhalten hatte, zu verschleiern. Aufgrund dieser Verschleierungsabsicht handelte es sich um Scheinrechnungen und Scheingutschriften. Die Vorsteuerabzüge waren damit eigentlich nicht berechtigt.
Der BGH entschied nun, dass die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraussetzt, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UstG ausgestellte Rechnung besitzt. Für die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird, sondern auf den Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung an. Der Vorsteuerabzug ist nur dann nach dieser Entscheidung nicht berechtigt, wenn der Erklärende selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er an einem Umsatz beteiligt ist, der in einer Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deshalb als Beteiligter dieser Hinterziehung anzuziehen ist.
Der BGH wies aber explizit darauf hin, dass eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht nachträglich wegfällt, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits bei Erhalt der Rechnungen bzw. Gutschriften gekannt hatte. Für eine Versagung des Vorsteuerabzugs bedarf es genauer Feststellungen dazu, ab wann der Angeklagte Kenntnis von der Einbeziehung in ein Hinterziehungssystem hatte oder hätte haben müssen.
In Fällen, in denen Unternehmer unschuldig und ohne ihr Wissen in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden werden, bietet diese Rechtsprechung des BGH entscheidende Verteidigungsansätze und kann zu großen Vorteilen in steuerlicher wie strafrechtlicher Sicht führen.
Sprechen Sie uns gerne darauf an.
Alexander Littich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und für Steuerrecht in München, Landshut, Regensburg und Leipzig
Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht
Tel.: +49 871-96 21 6-25
E-Mail
Dr. Janika Sievert
Rechtsanwältin in Würzburg und München, Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht
Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Medizinstrafrecht
Tel.: +49 931-352 87 52
E-Mail