Mögliche gesetzliche Neuregelung für Unterbrechungen der Hauptverhandlungen angesichts des Coronavirus
Bisher können Hauptverhandlungen in Strafverfahren nach § 229 Abs. 1 StPO bis zu drei Wochen unterbrochen werden. Für die Fälle, dass eine Hauptverhandlung vor Unterbrechung mindestens zehn Tage lang stattgefunden hat, ist nach § 229 Abs. 2 StPO auch eine Unterbrechung von bis zu einem Monat zulässig. Diese eingeräumte Frist ist vor allem für Großverfahren relevant, erfordert allerdings nach § 228 Abs. 1 S. 1 StPO einen Gerichtsbeschluss. Angesichts der derzeitigen Corona-Krise ist es jedoch fraglich, ob diese Fristen noch ausreichend Spielraum bieten. Durch die voranschreitende Verbreitung des Covid-19 Virus ergeben sich in diesem Zusammenhang mehrere Probleme: zum einen muss die Arbeitsfähigkeit der Gerichte auch in Krisensituationen gewährleistet werden, denn Eilverfahren und Haftsachen unterliegen auch in diesen Zeiten wichtigen Fristen. Zum anderen gilt es zugleich, die Verbreitung des Virus einzudämmen und die Bevölkerung insbesondere durch die Vermeidung von persönlichem Kontakt zu schützen. Relevant wird dies vor allem dann, wenn ältere Menschen oder Personen, die der Risikogruppe zugeteilt werden können, am Verfahren beteiligt sind. Ebenso ist mit fortschreitender Infektion auch mit dem Ausfallen von Richtern, Staatsanwälten und Justizbeamten zu rechnen, sodass der Betrieb in den Gerichten vermutlich immer mehr eingeschränkt sein wird.
Welche Konsequenzen haben diese Probleme für den geregelten Ablauf von Hauptverhandlungen an den deutschen Strafgerichten? Um dieser Frage im Zuge der Corona-Krise verantwortungsvoll zu begegnen, strebt das Bundesjustizministerium momentan eine gesetzliche Regelung an, nach der Hauptverhandlungen bis zu maximal drei Monaten und zehn Tagen unterbrochen werden können. Diese Änderung in der StPO könnte schon nächste Woche verabschiedet werden (Stand 18.03.2020). Demnach soll der neue Tatbestand einen Katalog von Gründen umfassen, nach derer die Hauptverhandlung durch Infektionsschutzmaßnahmen nicht mehr durchgeführt und daher unterbrochen werden kann. Durch die Neuregelung soll verhindert werden, dass Hauptverhandlungen abgebrochen und neu begonnen werden müssen. Die Entscheidung darüber, ob diese gesetzliche Regelung im Einzelfall anzuwenden ist, wird nach wie vor von dem zuständigen Gericht zu treffen sein. Die erweiterte Unterbrechung von Verhandlungen bezieht sich zum derzeitigen Zeitpunkt allerdings nur auf Strafverfahren. Für das Zivilprozessrecht wird eine solche gesetzliche Neuregelung bisher (noch) nicht diskutiert.
Die Tatsache, dass das Coronavirus auch die deutsche Justiz mittlerweile in großem Ausmaß beeinträchtigt, wird nicht erst durch diese Gesetzesinitiative deutlich. Die Möglichkeit, Hauptverhandlungen länger unterbrechen zu können, kann jedoch dazu beitragen, die angespannte Situation zumindest vor den Gerichten ein wenig zu verbessern. Mithin stellt sie in jedem Fall eine angemessene Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen dar, um einerseits Verantwortung zu übernehmen und den Schutz vor Infektionen bestmöglich zu gewährleisten, andererseits um die Arbeitsfähigkeit der Gerichte dennoch weiterhin aufrechtzuerhalten. Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass es sich hier um eine gesetzliche Regelung handelt, die sich nur auf Krisensituationen, wie die momentane Corona-Pandemie bezieht und nicht außerhalb dieses Geltungsbereichs zur Anwendung kommen sollte.
Dr. Janika Sievert
Rechtsanwältin in Würzburg und München, Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht
Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Medizinstrafrecht
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