Kompensationsverbot im Umsatztsteuerstrafrecht – Grundsatzurteil des BGH vom 13.September 2018 – 1 StR 642/17
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Der Bundesgerichtshof hat in Abkehr seiner ständigen Rechtsprechung entscheiden, dass Vorsteuern bei der Berechnung der Steuerverkürzung und damit auf Tatbestandsebene zu berücksichtigen sind, soweit ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Ausgangsrechnung und der zugehörigen Eingangsrechnung besteht.
Das Urteil bezieht sich auf einen Fall, in dem der Steuerpflichtige es unterlassen hat, eine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben. Da das Rechtsgut der Steuerhinterziehung die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs ist, wirken sich Vorsteuern, die dem Täter ohne weiteres von Rechts wegen zugestanden hätten, bei der Ermittlung des durch die unterlassene Steuerklärung eingetretenen Steuerschadens bereits auf der Tatbestandsebene aus und nicht – wie bisher nur auf der Ebene der Strafzumessung. Bislang bestimmte in vergleichbaren Fällen die Höhe der nicht abgeführten Umsatzsteuer den Strafrahmen und auch, ob ein Fall der Steuerhinterziehung im großen Ausmaß (Verkürzungsbetrag je Tat über 50.000 €) lag. Lediglich auf der Ebene der Strafzumessung wurde berücksichtigt, welcher Steuerschaden bei Verrechnung der ebenfalls nicht erklärten Vorsteuer aus der Eingangsrechnung entstanden ist.
Beispiel:
A kauft in einem Monat Waren im Nettowarenwert von 300.000 € und verkauft sie weiter zu einem Nettowarenwert von 400.000 €. Er gab keine Umsatzsteuererklärung ab.
Nach überholter Ansicht des Bundesgerichtshofes bestand ein Vorwurf der Umsatzsteuerhinterziehung durch unterlassene Erklärungsabgabe in Höhe der Umsatzsteuer (19 %) auf die Verkaufserlöse von 400.000 €, also 76.000 €. Der gleichzeitig nicht erklärte Vorsteuerabzug in Höhe der Umsatzsteuer (19%) auf die Eingangsumsätze in Höhe von 300.000 €, also 57.000 € blieb bei der Feststellung des Steuerverkürzungsbetrages außer Ansatz.
Damit lag in einer solchen Konstellation ein Fall der Steuerhinterziehung im großen Ausmaß mit einer Mindeststrafe von 6 Monaten bis zu höchstens 10 Jahren Freiheitsstrafe vor. Das Gericht konnte trotz eines Steuerschadens von lediglich 19.000 € keine geringere Strafe als diese 6 Monate verhängen.
Aufgrund des aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofes sind in derartigen Fällen zukünftig Vorsteuer und Umsatzsteuer zu saldieren mit der Folge, dass lediglich ein Fall der einfachen Steuerhinterziehung vorliegt mit einem Strafrahmen von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von 5 Jahren.
Der Bundesgerichtshof wies in seiner Urteilsbegründung jedoch darauf hin, dass diese Schadenskompensation auf Tatbestandsebene nur zulässig ist, wenn die Lieferungen auch tatsächlich erbracht wurden und es sich nicht um sogenannte Scheinlieferungen handelt. Nur wenn die Ausgangslieferung eine tatsächlich durchgeführte Lieferung war und für die Eingangsleistung eine wirksame Rechnung iSd §§ 14, 14 a UStG und die übrigen Abzugsvoraussetzungen nach § 15 UStG vorliegen.
Wenn man bedenkt, dass der BGH seit seiner Entscheidung vom 18.April 1978 – 5 StR 692/77 diese Abzugsfähigkeit der Vorsteuer in Umsatzsteuerhinterziehungsfällen verneint hat, wird die Tragweite dieser neuen Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 13.September2018 deutlich.
Alexander Littich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und für Steuerrecht in München, Landshut, Regensburg und Leipzig
Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht
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