Gründung eines MVZ durch einen Strohmann führt zu mehrjährigen Freiheitsstrafen wegen gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs
Das Landgericht Hamburg hatte im März 2019 über folgenden Sachverhalt zu entscheiden (Urteil vom 11.03.2019, 618 KLs 2/17):
Der angeklagte Apotheker war schon seit längerem auf der Suche nach der Möglichkeit, ein medizinisches Versorgungszentrum zu erwerben oder sich daran zu beteiligen. Durch den Erwerb des MVZ oder zumindest der Beteiligung daran erhoffte sich der Apotheker die Möglichkeit, die dort beschäftigten Ärzte dazu zu bewegen, ihre Patienten an die ihm gehörende Apotheke zu erweisen oder die notwendigen Medikamente primär von seiner Apotheke oder der von ihm geführten GmbH, die u.a. Zytostatika herstellte, zu beziehen.
Es war jedoch dem Apotheker bewusst, dass es weder ihm noch seiner GmbH möglich war, sich als Gesellschafter an einem MVZ zu beteiligen.
Der Apotheker entwickelte daraufhin gemeinsam mit seinem Anwalt die Idee, sich treuhänderisch über den Vertragsarzt F an dem MVZ zu beteiligen. Der Arzt F sollte dabei Gesellschafter werden, sich aber weitgehend passiv verhalten und seine Gesellschafterrechte ausschließlich gemäß den Weisungen des Apothekers ausüben. Für diese Tätigkeit als Strohmanngesellschafter erhielt der Arzt eine Vergütung und wurde intern von sämtlichen Risiken frei gestellt.
Über ein kompliziertes rechtliches Konstrukt, auf das hier nicht weiter eingegangen werden soll, startete sodann der Geschäftsbetrieb. Im Zuge dessen wurde u.a. auch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet, obwohl die Angeklagten wussten, dass die Voraussetzungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne des § 95 Abs. 1a SGB V aufgrund der Einbindung des Strohmanns und der Einbindung des Apothekers als nicht genehmigter Teilnehmer eines MVZ nicht vorlagen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BGH besteht in solchen Fällen, in denen es bereits an einer förmlichen Voraussetzung für die Abrechnung fehlt, ein Schaden wegen Abrechnungsbetrugs in voller Höhe (streng formale Sichtweise). Dies gilt auch, wenn die Leistung eigentlich korrekt erbracht wurde.
Die Folge waren nicht nur hohe Freiheitsstrafen, die zumindest für den Apotheker nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wurde, es wurde auch ein erlangter Vermögensvorteil beim MVZ in Höhe von über 1 Million Euro eingezogen.
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Tim Müller
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Dr. Janika Sievert
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