Gesellschafter-Geschäftsführer – zweimal mehr ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
In zwei aktuellen Urteilen vom April und Juli 2017 orientierte sich das Sozialgericht Landshut an der Rechtsprechungsänderung des Bundessozialgerichts zur abhängigen Beschäftigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Gegenstand dieser Rechtsstreite war, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer der klagenden GmbH zu dieser im fraglichen Zeitpunkt in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.
- Im Urteil vom 13.07.2017 (Az. S 1 R 5002/16) war der Gesellschafter-Geschäftsführer mit 20 % am Stammkapital beteiligt. Hierzu führte das Sozialgericht Landshut aus, dass die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung abhängiger Beschäftigung auch auf die Beurteilung der rechtlichen Stellung eines Geschäftsführers einer GmbH anzuwenden sind. Hat ein solcher Geschäftsführer (im folgenden GF) aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so fehlt die das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis wesentlich kennzeichnende persönliche Abhängigkeit. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der GF mindestens über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft (oder mehr) verfügt. Verfügt er über eine Sperrminorität, durch die er ihm nicht genehme Weisungen verhindern kann, genügt auch schon ein geringer Kapitalanteil. Entscheidend waren somit die vertraglichen Vereinbarungen, die Beteiligung des GF an der Gesellschaft sowie das Unternehmerrisiko.
Vorliegend sprachen die vertraglichen Vereinbarungen im Geschäftsführervertrag, wie z.B. Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch, Bindung an Beschlüsse der Gesellschafterversammlung im Innenverhältnis ebenso für eine abhängige Beschäftigung wie die Beteiligung am Stammkapital in Höhe von lediglich 20 % ohne Sperrminorität. Etwas anderes ergab sich auch nicht daraus, dass der GF Mehrheitsgesellschafter einer „Besitz-GbR“ war. Zwar berücksichtigte das Sozialgericht die wirtschaftlich starke Verflochtenheit, andererseits sei die gewählte Konstruktion steuer- und haftungsrechtlichen Gründen bedingt und jederzeit zwischen den Beteiligten änderbar. Diese jederzeitige Änderbarkeit widerspreche der im Rahmen des § 7 SGB IV notwendigen Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände. Auch die angeführte Bürgschaftsübernahme führte nicht zu einer anderen Beurteilung, die diese kein mit der Tätigkeit des GF verbundenes Unternehmerrisiko begründe. Sie sei für die Erfüllung der Geschäftsführerpflichten nicht erforderlich gewesen, im Übrigen sie verschaffe dem Bürgen keine rechtliche Möglichkeit, auf die Geschicke des Unternehmens Einfluss zu nehmen.
- Auch mit Urteil vom 27.04.2017 (Az. S 1 R 5031/16) wies das Sozialgericht Landshut daraufhin hin, dass ein GF, der weder über einen beherrschenden Anteil am Gesellschaftskapital noch über eine Sperrminorität verfügt, sich auch nicht darauf berufen kann, aufgrund seiner etwa durch besonderes Fachwissen, besondere Erfahrung oder besondere Kundenkontakte ergebenden faktischen Stellung auf die Geschicke der Gesellschaft beherrschenden Einfluss auszuüben und somit „Kopf und Seele“ des Unternehmens zu sein. Eine solche Abhängigkeit der Statusfeststellung von rein faktischem, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (BSG Urteil vom 29.05.2015, Az. B 12 KR 23/23 R).
Da angesichts der vorgenannten Rechtsprechungsänderung des Bundessozialgerichts die Deutsche Rentenversicherung Bund nunmehr vermehrt Gesellschafter-Geschäftsführer auf den Status der abhängigen Beschäftigung überprüft, können wir nur anraten, die Gesellschaftsverträge, insbesondere die Beteiligung der Gesellschafter-Geschäftsführer am Stammkapital sowie die Geschäftsführerverträge auf die Vereinbarkeit mit den vorgenannten Argumenten baldmöglichst anwaltlich und zur Erlangung der Rechtssicherheit in einem Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV überprüfen zu lassen. Ansonsten können nicht unerhebliche Nachforderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich der Säumniszuschläge in Höhe von 1 % pro rückständigem Monat durch die Deutsche Rentenversicherung drohen.