Nachhaltigkeit als Kredithürde? Das neue ESG-Risiko-Scoring-System der Banken
Die Nachhaltigkeit eines Unternehmens wird zunehmend zum entscheidenden Faktor bei der Kreditvergabe. Neben der klassischen Bonitätsprüfung bewerten Banken und Sparkassen ihre Kreditnehmer nun auch nach ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Was bedeutet das konkret für Betriebe? Mike Rudolph kennt die Details.
Warum ESG-Scoring wichtig wird
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat klare Vorgaben gemacht: Banken müssen bei der Kreditvergabe Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen. Das bedeutet für Unternehmer: Neben dem klassischen Rating und der Kapitaldienstfähigkeit wird das ESG-Scoring zu einem weiteren wichtigen Parameter für Ihre Verhandlungsposition bei der Bank.
So funktioniert das Scoring-System
Die Bewertungsskala reicht von A (sehr geringe Nachhaltigkeitsrisiken) bis E (hohe Nachhaltigkeitsrisiken). Dabei fließen die drei Bereiche Environment, Social und Governance mit unterschiedlichen Gewichtungen in die Bewertung ein:
Risikodimension | Bezeichnung Score | Gewicht im ESG-Gesamtscore |
Environment (Umwelt) | E-Score | Geno-Banken: 60 % Sparkassen: 60 % |
Social (Soziales) | S-Score | Geno-Banken: 20 % Sparkassen: 30 % |
Governance (Unternehmensführung) | G-Score | Geno-Banken: 20 % Sparkassen: 10 % |
Zusammenführung der Teil-Scores zu einem ESG-Gesamtscore
Die Banken verwenden aktuell einen stark vereinfachten Bewertungsansatz, der auf nur zwei Faktoren basiert:
- Der Unternehmensstandort (bewertet die physischen Risiken wie Überflutungen oder Hitze). Haben Sie mehrere Standorte, wird meist nur der Hauptsitz bewertet.
- Die Branchenzugehörigkeit nach dem WZ 2008-System (bewertet alle anderen Risiken)
Branchenspezifische Unterschiede
Die aktuelle Bewertungspraxis führt zu deutlichen Unterschieden zwischen den Branchen. So wird beispielsweise ein Automobilhändler derzeit automatisch in die Risikoklasse C eingestuft, während ein Gesundheitsdienstleister typischerweise die beste Bewertung A erhält. Diese pauschale Einordnung kann jedoch erheblich von der tatsächlichen Nachhaltigkeitsausrichtung einzelner Unternehmen abweichen.
Strategische Implikationen
Das Wichtigste vorweg: Bereiten Sie sich aktiv auf Gespräche mit Ihrer Bank vor. Die pauschale Zwei-Faktoren-Bewertung bietet Ihnen die Chance, durch gezielte Kommunikation Ihrer individuellen Nachhaltigkeitsmaßnahmen eine bessere Bewertung zu erreichen.
Konkret empfehlen wir:
- Überprüfen Sie die Branchenzuordnung Ihres Unternehmens bei der Bank. Oft sind historische Zuordnungen nicht mehr aktuell und können korrigiert werden.
- Dokumentieren Sie Ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten systematisch. Orientieren Sie sich dabei an den drei ESG-Bereichen.
- Bereiten Sie eine überzeugende Darstellung Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie vor. Zeigen Sie konkrete Maßnahmen und messbare Erfolge.
Es wird erwartet, dass die ESG-Bewertung in den kommenden Jahren noch stärker mit dem klassischen Rating verschmelzen wird. Wer sich jetzt gut aufstellt, sichert sich einen Wettbewerbsvorteil bei der Unternehmensfinanzierung.
Weichenstellung für die Zukunft
Das ESG-Scoring entwickelt sich zu einem zentralen Element der Kreditvergabe. Nutzen Sie die aktuell noch pauschale Bewertung als Gelegenheit, Ihre individuellen Nachhaltigkeitsleistungen hervorzuheben. Die frühzeitige Entwicklung einer überzeugenden ESG-Strategie und deren solide Kommunikation gegenüber Kreditgebern wird damit zu einer wesentlichen Aufgabe für den Mittelstand und sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden.
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