Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zur globalen Mindestbesteuerung
Das Bundeskabinett hat am 16. August 2023 den Entwurf für das „Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz“ (MinBestRL-UmsG) verabschiedet, das eine Initiative zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen darstellt. Mit dem „Mindeststeuergesetz“ soll die weltweite effektive Mindestbesteuerung sichergestellt und aggressiven Steuergestaltungen ein Riegel vorgeschoben werden. So sollen international tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro künftig mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Andreas Steinberger weiß, was damit auf Unternehmen zukommt.
Neue Maßnahmen für internationale Mindestbesteuerung
Weltweit haben sich mehr als 130 Staaten unter dem Dach der OECD und der G20 darauf verständigt, eine globale Mindestbesteuerung einzuführen. Mit dem nun vorliegenden umfangreichen Entwurf mit dem sperrigen Namen „Gesetz für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union“ wird eine EU-Richtlinie zur Mindestbesteuerung in nationales Recht umgesetzt. Zentrales Element des Gesetzes ist das „Mindeststeuergesetz“, das als neues Stammgesetz eine weltweite Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen einführt. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Mindestbesteuerungsrichtlinie bis zum 31. Dezember 2023 in nationales Recht zu überführen.
Zwei-Säulen-Lösung
Die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung reagiert auf die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft und besteht aus zwei Säulen. Konkret sind die neuen Regelungen vor allem für die Besteuerung großer Digitalkonzerne von Bedeutung. Derzeit werden mit Einnahmen aus Werbeklicks oder Einkäufen im Internet hohe Gewinne auch in Staaten erzielt, in denen diese weder Niederlassungen noch Fabriken haben. Besteuert wird aber dort, wo die Unternehmen ihren Sitz haben. Ziel ist es, dass Unternehmen in Zukunft dort Steuern zahlen, wo die Gewinne erwirtschaftet werden.
Säule 1: Neue Zuordnung von Besteuerungsrechten
Die erste Säule umfasst das neue System der Zuweisung von Besteuerungsrechten für die größten multinationalen Unternehmen. Kernstück wird ein multinationales Übereinkommen sein, das derzeit bei der OECD fachlich ausgearbeitet wird. Die erste Säule klärt, wo besteuert wird.
Säule 2: Globale effektive Mindestbesteuerung
Säule 2 zielt darauf ab, schädlichen Steuerwettbewerb und aggressive Steuergestaltung einzudämmen. Die zunehmende Bedeutung immaterieller Wirtschaftsgüter ermöglicht es Unternehmen immer häufiger, Steuerschlupflöcher zu nutzen. Die globale effektive Mindestbesteuerung soll sicherstellen, dass Unternehmen unabhängig von individuellen Steuervergünstigungen und Steuerplanungen einen Mindeststeuersatz zahlen. Mechanismen zur Schließung von Steuerschlupflöchern sind integraler Bestandteil. Mit der zweiten Säule wird somit geklärt, wie hoch verteuert wird.
Nachversteuerung niedrig besteuerter Gewinne
Das Mindeststeuergesetz (MinStG) setzt die Säule 2 um und verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe, niedrig besteuerte Gewinne nachzuversteuern. Zahlen Unternehmen in einem Land tatsächlich weniger Steuern als den festgelegten Mindestsatz, wird die Differenz im Heimatland nachversteuert.
Das Gesetz betrifft insbesondere große Unternehmensgruppen, die in mindestens zwei der letzten vier Geschäftsjahre einen Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro erzielt haben. Für Unternehmensgruppen mit geringer internationaler Tätigkeit ist eine Steuerbefreiung von 5 Jahren vorgesehen, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind. Bei sogenannten ausgeschlossenen Einheiten (z.B. staatlich Einheiten oder NGO) findet das Gesetz keine Anwendung.
Komplexe Struktur der Mindestbesteuerung
Die Mindeststeuer setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen:
- Primärergänzungssteuerbetrag (Primärergänzungssteuerregelung – PES)
- Sekundärergänzungssteuerbetrag (Sekundärergänzungssteuerregelung – SES)
- Nationaler Ergänzungssteuerbetrag (Nationale Ergänzungssteuerregelung – NES)
Der PES und SES sind Anteile am Steuererhöhungsbetrag einer niedrig besteuerten Geschäftseinheit und betreffen die Muttergesellschaften innerhalb einer Unternehmensgruppe. Die Berechnung des PES erfolgt nach dem „Top-Down-Ansatz“, indem die Geschäftseinheit in der Beteiligungshierarchie betrachtet wird, die am höchsten steht.
Die SES dient als Ergänzung zur PES und kommt zum Einsatz, wenn die Niedrigbesteuerung nicht durch die PES ausgeglichen wird. Hier wird der auf Deutschland entfallende Teil am Steuererhöhungsbetrag anhand einer substanzbasierten Formel ermittelt.
Die NES wird auf Basis der ermittelten Steuererhöhungsbeträge für in Deutschland belegene Geschäftseinheiten berechnet. Große Unternehmensgruppen, die inländische und ausländische Gewinne verzeichnen, unterliegen gleichermaßen der Mindestbesteuerung.
Grundlage der Berechnung
Die Berechnung der Mindeststeuer erfolgt auf der Grundlage international abgestimmter Vereinbarungen. Hierbei wird der Mindeststeuersatz von 15 Prozent auf Basis der handelsrechtlichen Rechnungslegung berechnet. Die Berechnungsgrundlagen sind im Gesetz detailliert beschrieben, um eine klare und transparente Regelung sicherzustellen.
Durch die Einführung einer Mindeststeuergruppe wird das Besteuerungsverfahren beim Finanzamt des Gruppenträgers zusammengefasst. Diese Gruppe wird gebildet, wenn mehrere steuerpflichtige Geschäftseinheiten nach § 1 MinStG innerhalb einer Unternehmensgruppe existieren. Die Mindeststeuer wird ungeachtet der Besteuerung des Anteilseigners oder Mitunternehmers erhoben.
Zusätzliche Steuer neben Einkommen- und Körperschaftsteuer
Die Mindeststeuer gilt als zusätzliche Steuer auf das Einkommen und wird unabhängig von der Rechtsform zusammen mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben. Sie soll einen gerechten Zugriff auf den unternehmerischen Gewinn ermöglichen und unterliegt den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben der Körperschaftsteuer. Allerdings können auch Personengesellschaften Steuersubjekt der Mindeststeuer sein.
Anpassung anderer Steuergesetze
Im Rahmen des „Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes“ werden auch Änderungen an anderen Steuergesetzen vorgenommen. Die Lizenzschranke gemäß § 4j EStG wird nicht vollständig abgeschafft, sondern der Prozentsatz von 25 auf 15 Prozent abgesenkt. Die Niedrigsteuergrenze im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 8 Abs. 5 AStG) wird ebenfalls von 25 auf 15 Prozent reduziert. Einige Mitteilungen und Erklärungen können zukünftig elektronisch übermittelt werden, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
Verpflichtende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern
Der Regierungsentwurf sieht eine verpflichtende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern gemäß § 274 HGB vor. Die Ausnahme betrifft latente Steuern, die sich aufgrund der Anwendung des Mindeststeuergesetzes oder entsprechender ausländischer Steuergesetze ergeben. Die Änderung orientiert sich an internationalen Rechnungslegungsstandards und hat das Ziel, die Komplexität der Bilanzierung zu reduzieren und eventuellen Benachteiligungen für HGB-Bilanzierende entgegenzuwirken.
Erweiterung der Transparenzpflicht im Anhang und Konzernanhang
Um ein Mindestmaß an Transparenz und Information für Abschlussadressaten sicherzustellen, wird gemäß § 285 Nr. 30a HGB eine neue Offenlegungspflicht eingeführt. Dies betrifft sowohl den Anhang als auch den Konzernanhang. Unternehmen müssen den tatsächlichen Steueraufwand oder Steuererträge aus dem Mindeststeuergesetz und ausländischen Mindeststeuergesetzen für das jeweilige Geschäftsjahr angeben. Darüber hinaus müssen die Auswirkungen auf das Unternehmen im Detail erläutert werden. Diese Maßnahme stärkt die Transparenz gegenüber Stakeholdern und erleichtert die Beurteilung der finanziellen Situation des Unternehmens. Diese Maßnahme stärkt die Transparenz gegenüber Stakeholdern und soll die Beurteilung der finanziellen Situation des Unternehmens erleichtern.
Ausblick
Das Mindeststeuergesetz soll auf alle Geschäftsjahre Anwendung finden, die nach dem 30.12.2023, bzw. für die Sekundärergänzungssteuerregelung die nach dem 30.12.2024 beginnen. Der Kabinettsbeschluss zur Umsetzung der Mindestbesteuerungsrichtlinie muss noch vom Bundestag verabschiedet werden. Anschließend ist noch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Ziel ist es, dass das Gesetz noch in diesem Jahr verkündet werden kann und damit die von der EU vorgegebene Frist zur Umsetzung in nationales Recht (31.12.2023) eingehalten werden kann.
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