Elektronische Arbeitszeiterfassung: Pflicht ja, Umsetzung nein?
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Elektronische Arbeitszeiterfassung: Pflicht ja, Umsetzung nein?

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Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im September 2022 sind Unternehmen in Deutschland verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden zu dokumentieren. Eine aktuelle Studie von SD Worx zeigt jedoch, dass die Umsetzung dieser Vorgabe in vielen Unternehmen noch nicht erfolgt ist. Andreas Bachmeier erklärt die Anforderungen an eine korrekte Arbeitszeiterfassung.

Mangelnde Zeiterfassung in vielen Betrieben

Die Umfrage von SD Worx, durchgeführt unter 18.000 Beschäftigten und 5.118 Unternehmensvertretern in 18 europäischen Ländern, ergab folgende Erkenntnisse für Deutschland: Nur 41 Prozent der Beschäftigten erfassen ihre Arbeitszeit. Etwa die Hälfte der Arbeitnehmer leistet regelmäßig Überstunden. Viele Beschäftigte bearbeiten berufliche Angelegenheiten außerhalb der regulären Arbeitszeit.

Folgen einer schlechten Work-Life-Balance

Die Studie zeigt auch die wachsende Bedeutung einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Für jeden fünften Befragten in Deutschland und Österreich gehört sie zu den Top-5-Kriterien bei der Arbeitsplatzwahl. Bemerkenswert ist, dass 29 Prozent der deutschen und 28 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer bei mangelnder Berücksichtigung ihrer Gesundheit einen Jobwechsel in Betracht ziehen würden.

Hintergrund zur Zeiterfassung

Der EuGH stellte am 14. Mai 2019 klar, dass Arbeitgeber ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ zur Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten einrichten müssen. Die Form der Arbeitszeiterfassung ist nicht spezifisch vorgeschrieben. Sowohl elektronische als auch schriftliche Systeme sind zulässig, solange sie den arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen genügen.

Ein Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vom April 2023 sieht eine elektronische Erfassung vor. Genauere Anforderungen werden jedoch nicht gestellt. Damit dürften die meisten gängigen Programme und Apps ebenso zulässig sein wie eine tabellarische Zeiterfassung, solange Arbeitsbeginn, Arbeitsende und Pausenzeiten erfasst werden. Eine Umsetzung des Gesetzes steht allerdings noch aus.

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch für Minijobber. Für leitende Angestellte gelten Sonderregelungen. Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten dürfen weiterhin analog erfassen.

Für die Umsetzung gelten gestaffelte Übergangsfristen:

  • Großunternehmen (ab 250 Beschäftigte): 1 Jahr
  • Mittlere Unternehmen (50-249 Beschäftigte): 2 Jahre
  • Kleinunternehmen (unter 50 Beschäftigte): 5 Jahre

Aktuell ist ein Verstoß gegen die Arbeitszeiterfassungspflicht nicht unmittelbar mit einer Geldbuße belegt. Behörden können jedoch Anordnungen zur Erfüllung dieser Pflicht treffen. Bei Nichtbefolgung drohen Bußgelder bis zu 30.000 Euro.

Fazit

Viele Unternehmen vernachlässigen ihre Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Neben der gesetzlichen Verpflichtung bietet die Zeiterfassung aber auch die Chance, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und damit die Mitarbeiterzufriedenheit zu stärken. In Zeiten des Fachkräftemangels und der zunehmenden Bedeutung von Work-Life-Balance sollten Unternehmen die Arbeitszeiterfassung als strategisches Instrument zur Mitarbeitergewinnung und -bindung neu bewerten.

Haben Sie Fragen zur Zeiterfassung in Ihrem Unternehmen? Gerne helfen wir Ihnen weiter. Kontaktieren Sie uns über das Kontaktformular.

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Ansprechpartner

Andreas Bachmeier
Unternehmensberater in Dingolfing
Tel.: +49 8731-7596-0

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