Unternehmensbewertung bei der Nachfolge: Diese Fallstricke sollten Sie vermeiden
Eine der ersten und wichtigsten Weichenstellungen bei der Unternehmensnachfolge ist die Ermittlung des Unternehmenswertes. Die Antwort auf diese Frage kann maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg des gesamten Nachfolgeprozesses entscheiden. Johannes List kennt die besonderen Herausforderungen und gibt Tipps für die Praxis.
Warum ist die Unternehmensbewertung so wichtig?
Die Unternehmensbewertung spielt in verschiedenen Phasen des Nachfolgeprozesses eine zentrale Rolle:
- Sie bildet die Grundlage zu Beginn der Nachfolgeplanung, um den Status quo zu erfassen und mögliche Wertsteigerungspotenziale zu identifizieren
- Sie ist unverzichtbar bei der Vorbereitung des Verkaufsprozesses, um einen realistischen Wertrahmen zu definieren
- Sie ermöglicht potenziellen Käufern, fundierte Angebote zu formulieren
- In der Verhandlungsphase dient sie als Basis für eine faire Preisfindung
Je nach Phase können dabei unterschiedliche Bewertungsansätze und -methoden zum Einsatz kommen.
Wert ist nicht gleich Preis
Ein häufiger Trugschluss ist die Gleichsetzung von ermitteltem Unternehmenswert und erzielbarem Verkaufspreis. Die Bewertung schafft vielmehr eine fundierte Ausgangsbasis für die Verhandlungen. Der finale Verkaufspreis ergibt sich erst in den Gesprächen zwischen Käufer und Verkäufer heraus.
Für den Verkäufer ist dabei die Kenntnis seines „Entscheidungswertes“ essentiell, sprich jener Wert, unter dem ein Verkauf wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre. Auf der Käuferseite markiert dieser Wert die maximale Zahlungsbereitschaft.
Bewertungsverfahren im Überblick
Die Praxis kennt verschiedene Ansätze zur Unternehmensbewertung:
- Erfolgswertorientierte Verfahren
- Basieren auf der Prämisse, dass der Unternehmenswert durch zukünftige Erträge bestimmt wird
- Hierzu zählen das Ertragswertverfahren und Discounted Cashflow-Verfahren (DCF)
- Substanzwertorientierte Verfahren
- Ermitteln den Unternehmenswert anhand der vorhandenen Vermögensgegenstände
- Marktwertorientierte Verfahren
- Orientieren sich an Vergleichspreisen ähnlicher Unternehmen oder Branchen-Multiplikatoren
Für mittelständische Unternehmen hat sich in der Praxis oft eine Kombination aus erfolgs- und marktwertorientierten Verfahren bewährt.
Dabei ist zu beachten: Jedes Unternehmen ist einzigartig – besonders im Mittelstand. Auch Unternehmen derselben Branche können durch ihre spezialisierten Geschäftsmodelle, individuellen Kostenstrukturen und unterschiedlichen Ertragspotenziale sehr verschiedene Unternehmenswerte aufweisen. Ein simpler Branchenvergleich greift hier oft zu kurz.
Besonderheiten bei Nachfolgeprozessen
Bei der Bewertung im Rahmen von Nachfolgeprozessen gilt es einige besondere Aspekte zu berücksichtigen. Gerade bei altersbedingten Nachfolgen ist der Blick in die Zukunft wichtiger als die Vergangenheitsbetrachtung, sprich realistische Zukunftsszenarien sind hier entscheidend. Eine weitere Herausforderung stellt die oft enge Verknüpfung des Unternehmenserfolgs mit dem bisherigen Inhaber dar, die in der Bewertung berücksichtigt werden muss.
Hinzu kommen emotionale Faktoren wie die Bindung zum Lebenswerk und der Wunsch nach nachhaltiger Fortführung, die den Prozess maßgeblich beeinflussen können. Nicht zuletzt spielen auch steuerliche Aspekte eine wichtige Rolle, da die gewählte Form der Nachfolgegestaltung erhebliche steuerliche Konsequenzen haben kann.
Typische Fallstricke in der Praxis
Zu früh mit Preisvorstellungen in die Verhandlung gehen
Viele Unternehmer haben bereits sehr früh eine konkrete Preisvorstellung im Kopf und kommunizieren diese auch. Dieser erste genannte Preis setzt sich als Anker fest und erschwert später oft konstruktive Verhandlungen. Unsere Erfahrung zeigt: Es ist ratsam, zunächst eine fundierte Bewertung durchzuführen und verschiedene Szenarien durchzuspielen, bevor konkrete Zahlen genannt werden.
Die Zukunft aus dem Rückspiegel betrachten
„Die letzten drei Jahre liefen gut, also wird es so weitergehen“ – diese Annahme kann teuer werden. Unternehmer basieren häufig ihre Bewertung hauptsächlich auf historische Zahlen stützen. Dabei sind es gerade die zukünftigen Entwicklungen, die den Wert maßgeblich bestimmen: Wie entwickelt sich der Markt? Welche Investitionen stehen an? Wie verändert sich der Wettbewerb? Diese Fragen müssen in die Bewertung einfließen.
Risiken unterschätzen oder ausblenden
Jedes Unternehmen hat seine spezifischen Risiken, sei es die Abhängigkeit von wenigen Großkunden, ein alternder Maschinenpark oder ein sich wandelnder Markt. In der Praxis sehen wir oft, dass diese Risiken in der Bewertung zu wenig Berücksichtigung finden. Eine realistische Risikoeinschätzung ist jedoch entscheidend für eine tragfähige Bewertung.
Mangelnde Transparenz in der Dokumentation
„Das haben wir schon immer so gemacht“ oder „Das weiß doch jeder hier“ – solche Aussagen sind typische Warnsignale. Wenn wichtige Prozesse, Kundenbeziehungen oder Know-how nicht ausreichend dokumentiert sind, schafft das Unsicherheit bei potenziellen Käufern. Diese Unsicherheit führt fast immer zu Preisabschlägen. Eine transparente, vollständige Dokumentation ist daher Gold wert.
Den Zeitaufwand unterschätzen
Eine sorgfältige Unternehmensbewertung braucht Zeit – Zeit für die Datensammlung, Zeit für Analysen, Zeit für die Bewertung verschiedener Szenarien. Wird dieser Prozess unter Zeitdruck durchgeführt, bleiben oft wichtige Aspekte unberücksichtigt. Planen Sie für eine fundierte Bewertung mehrere Monate ein.
Professionelle Begleitung als Erfolgsfaktor
Die Unternehmensbewertung im Rahmen der Nachfolge ist ein komplexer Prozess, der weit über eine reine Zahlenanalyse hinausgeht. Sie erfordert nicht nur fundiertes betriebswirtschaftliches Wissen, sondern auch Erfahrung in der Bewertung vergleichbarer Unternehmen und ein Gespür für die besonderen Umstände jedes einzelnen Falls.
Haben Sie Fragen zur Unternehmensbewertung im Rahmen Ihrer Nachfolgeplanung? Kontaktieren Sie uns. Wir unterstützen Sie gerne bei diesem wichtigen Schritt in die Zukunft Ihres Unternehmens.
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