Pflicht zum Zurücksenden sperriger Produkte?
Die erste Kammer des EuGH entschied auf Anfrage des AG Norderstedt über die Frage, ob ein Verbraucher zum Zurücksenden sperriger Produkte verpflichtet ist. Einmal mehr ging es also um die Frage, wo sich der Nacherfüllungsort bei einem Verbrauchsgüterkauf befindet.
Bisherige Rechtslage in Deutschland
Die Beantwortung der Frage ist bisweilen mit einer großen Meinungsvielfalt behaftet. Einigkeit besteht zumindest darüber, dass sich der Ort nicht aus § 439 BGB ergibt. Vielmehr muss auf den in § 269 Abs. 1 BGB genannten Ort abgestellt werden.
Dementsprechend ist die Parteivereinbarung über den Erfüllungsort der Nacherfüllung zunächst entscheidend. Eine solche liegt in der Regel jedoch nicht vor.
Hilfsweise erfolgt die Ermittlung des Nacherfüllungsortes anhand der Umstände, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses. Was genau diesen Umständen jedoch entnommen werden soll, ist umstritten. Der BGH jedenfalls will den Erfüllungsort nach sämtlichen Umständen des Einzelfalls bestimmen. Beispielhaft liege der Erfüllungsort bei Geschäften des täglichen Lebens oder bei Erforderlichkeit aufwendiger Diagnose- oder Reparaturarbeiten regelmäßig beim Verkäufer.
Ist auch nach diesen Erwägungen der Nacherfüllungsort nicht zu bestimmen, ist letztlich auf den Ort abzustellen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche Niederlassung hatte.
Entscheidung des EuGH
Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens entschied der EuGH, dass es weiterhin Aufgabe der Mitgliedstaaten sei, den Nacherfüllungsort zu bestimmen. Dieser müsse allerdings den Vorschriften der Richtlinie entsprechen. Konkret verweist der EuGH im Sinne der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie damit auf die folgenden drei Anforderungen:
- Die Nacherfüllung muss innerhalb einer angemessen Frist vollzogen werden.
- Sie muss ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen.
- Dem Verbraucher dürfen dabei keine Kosten entstehen.
Auswirkungen auf das nationale Recht
Die oben angedeuteten Probleme haben größtenteils weiterhin Bestand. Im Falle des Abstellens auf den Wohnsitz des Schuldners bzw. seine gewerbliche Niederlassung als Nacherfüllungsort ergeben sich jedoch neue rechtliche Erwägungen.
Bei kompakten Gütern kann dem Verbraucher das Zurücksenden weiterhin zugemutet werden. Er soll schließlich nur vor erheblichen Unannehmlichkeiten geschützt werden. Eine Ausnahme ergibt sich allerdings, wenn der Verkäufer auch am Wohnort des Verbrauchers eine Niederlassung hat. In diesem Fall führt das Element der angemessenen Frist zu einer Nacherfüllung beim Verbraucher und schließt damit eine Verpflichtung zum Zurücksenden aus. Eine weitere Ausnahme ergibt sich für Verbrauchsgüter besonderer Art. So ist wohl stets von einer erheblichen Unannehmlichkeit auszugehen, falls das Gut besonders schwer, zerbrechlich oder unhandlich ist. Auch dann ist der Nacherfüllungsort beim Verbraucher anzusiedeln und eine Verpflichtung zum Zurücksenden abzulehnen.
Ab wann es sich jedoch nicht mehr um kompakte, sondern sperrige Produkte handelt oder die oben genannten Ausnahmen einschlägig sind, ist weiterhin eine Einzelfallentscheidung und obliegt den nationalen Gerichten. Der Fall des AG Norderstedt präzisiert aber zumindest das Merkmal der Kompaktheit einzelner Produkte. Der EuGH scheint eine solche nämlich bei einem 5 x 6 m großen Partyzelt nicht anzunehmen, sondern tendiert vielmehr zur Annahme einer erheblichen Unannehmlichkeit für den Verbraucher.
Generell ist wohl davon auszugehen, dass einem Verbraucher das Zurücksenden immer zugemutet werden kann, wenn es auf dem regulären Postweg und nicht etwa mit einer Spedition zum ihm gelangt ist.
Erneut bringt die neue Rechtsprechung also nur bedingt Licht ins Dunkel. Weiterhin fehlt es an einer Normierung des Nacherfüllungsorts. Dieses Urteil wird daran weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene etwas ändern. Mithin sind die nationalen Gerichte abermals gefragt, die weiten Begriffe zu konkretisieren.