Prozessbetrug zu Lasten der Staatskasse (zu niedrige Streitwertangaben)
Ein Zitat aus der Entscheidung des OLG Düsseldorf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.05.2011 , Az. 2 W 15/11:
„Nach den Erfahrungen des Senats stelle es eine nicht nur gelegentliche, sondern mittlerweile beinahe regelmäßige Praxis dar, dass, solange der Prozesserfolg und damit die letztlich kostenpflichtige Partei noch nicht sicher abzusehen seien, beide Parteien in einträchtigem Zusammenwirken mit einer zu niedrigen Streitwertangabe prozessieren, um Gerichtskosten „zu sparen“. Ihre Ursache habe diese Erscheinung in der Tatsache, dass die Parteivertreter – jedenfalls in größeren Verfahren – ihre eigenen Anwaltsgebühren nicht mehr streitwertabhängig, sondern nach Stundensätzen und Stundenaufwand abrechneten. Anders als hier berühre eine unangemessen niedrige Streitwertfestsetzung deswegen nicht mehr den eigenen Honoraranspruch des Anwalts, der die zu niedrige Streitwertangabe mache oder hinnehme, sondern sie wirke sich einseitig nur noch zu Lasten der Staatskasse aus. Aus verschiedenen Äußerungen von Anwälten wisse der Senat, dass die zu niedrige Streitwertangabe in solchen Fällen nicht versehentlich erfolge, sondern in der direkten Absicht, durch die mittels der betragsmäßig untersetzten Streitwertangabe eingesparten „Gerichtsgebühren“ weiteren Spielraum für die Abrechnung zusätzlichen eigenen Honorars zu gewinnen.
Es liege auf der Hand, dass eine solche bewusste Vorenthaltung von der Landeskasse zustehenden Gerichtsgebühren nicht hingenommen werden könne und auf sie mit einer der Sachlage angemessenen Anhebung des Streitwerts reagiert werden müsse. Nicht selten versuchten die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten freilich, dieses Vorhaben dadurch zu torpedieren, dass dem Gericht diejenigen Daten (Verkaufspreise, Umsatzzahlen, Marktanteile) vorenthalten werden, auf die es mangels eigener Kenntnisse für eine Bemessung des tatsächlichen Rechtsverfolgungsinteresses angewiesen sei. Es bedürfe keiner Erläuterung, dass vor diesem Verhalten nicht kapituliert werden dürfe, weswegen es nicht nur zulässig, sondern im Interesse der gebotenen Durchsetzung des der Landeskasse zustehenden Gebührenanspruchs geradezu notwendig sei, dem in geeigneter Weise zu begegnen. Dies könne dadurch geschehen, dass in Fällen, in denen die Parteien ihre Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigerten, vom Gericht ein Streitwert geschätzt werde, der so hoch sei, dass er die Parteien zuverlässig motiviere, zum Beispiel im Rahmen eines Antrages auf Streitwertkorrektur ihrer Mitwirkungspflicht wahrheitsgemäß nachzukommen. Exakt so sei im Streitfall auch das Landgericht verfahren. Aufgrund der vorstehenden Darlegungen bestehe gegenüber der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten der Verdacht eines versuchten Betruges zu Lasten der Landeskasse. Bevor der Senat weitere straf- und berufsrechtliche Maßnahmen in Erwägung ziehe, erhielten die Klägerin und ihre Anwälte rechtliches Gehör.“
Anm.: Es ging um den Streitwert in einem Patentverletzungsverfahren, welcher mit 5 Millionen Euro angegeben worden war und der „strafhalber“ durch das Gericht auf 30 Millionen Euro festgesetzt wurde. Die harsche Vorgehensweise des Gerichts zeigt, dass die Vereinnahmung von Gerichtskosten zusehends auch als staatliche Einnahmequelle „entdeckt“ wird. Dies gilt insbesondere für Patentverletzungsprozesse ob der hohen Streitwerte. Nordrhein-Westfalen wirbt im Inland wie im Ausland für Düsseldorf als kompetentes Gericht für Patentverletzungsprozesse und hat die entsprechenden Kammern sachlich wie personell entsprechend aufgerüstet. Natürlich möchte man dann auch die entsprechenden Einnahmen durchsetzen.