Predictive Analytics – Frankreich in Angst

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Frankreich hat jüngst ein Gesetz erlassen, dessen Zweck es ist, die statistische Auswertung von richterlichen Entscheidungen in Form von „Predictive Analytics“ zu verbieten.

Der Sachverhalt

Der französische Rechtsanwalt Michäel Benesty hat in seiner Freizeit mit einem befreundeten Spezialisten für Predictive-Analytics-Tools ein Programm entwickelt. Dies hatte die Auswertung der französischen Rechtsprechung zum Ziel.

Nach einiger Zeit kamen beide zu einem äußerst bedenklichen Ergebnis. Das Programm präsentierte enorme Diskrepanzen von Urteilen, wenn es um die Rechte von Ausländern und Asylanten geht. Während einige Richter fast alle Anträge auf Asyl abgelehnt haben, entschieden andere Kollegen über fast alle Anträge mit vergleichbaren Sachverhalten positiv. Eine juristische Erklärung ließ sich dabei nur schwerlich finden. Die beiden Männer führten die Ergebnisse vielmehr auf die weltanschaulichen Ansichten der einzelnen Richter zurück.

Um die Reichweite des Ergebnisses zu erhöhen, wurde das Tool online zugänglich gemacht. Somit konnte sich jedermann selbst von den Begebenheiten überzeugen. Daraufhin kam es kurze Zeit später zu einem Aufschrei in der französischen Bevölkerung.

Auf diesen reagierte letztlich auch die Legislative mit dem Art. 33 des französischen Justizreformgesetzes.

Verbot von „Predictive Analytics“

Das neue Gesetz verbietet die oben genannte Praktik nun vollumfänglich. Insbesondere an Sanktionen wurde nicht gespart. Es drohen im schlimmsten Fall eine Geldstrafe von 300.000 EUR und bis zu 5 Jahre Gefängnis.

Origniale Fassung
Les articles L. 10‑1 du code de justice administrative et L. 111‑13 du code de l’organisation judiciaire, dans leur version issue des travaux de la commission des lois, prévoient qu’en matière d’open data des décisions de justice, les éléments permettant d’identifier les magistrats et les fonctionnaires de greffe ne sont en principe pas occultés. La transparence inhérente à l’open data ne saurait pour autant conduire à une réutilisation des données d’identité des magistrats et agents de greffe, en particulier le profilage ou le ranking, ayant pour objet ou pour effet d’évaluer, d’analyser, de comparer ou de prédire leurs pratiques professionnelles réelles ou supposées. Il s’agit ainsi d’éviter par exemple à un classement des juges et greffiers, une telle réutilisation de ces données permettant de dire que tel juge est plus répressif que tel autre ou qu’il donne plus souvent raison à un demandeur de sexe féminin qu’à un demandeur de sexe masculin. Le présent amendement a donc pour objet d’interdire, dans le cadre de l’open data des décisions de justice, toute forme de réutilisation des données d’identité des magistrats et agents de greffe pouvant conduire à ce type de pratiques. La violation de de cette interdiction, sera punie des peines prévues par l’article 226‑18 du code pénal, qui réprime la collecte déloyale de données de cinq ans d’emprisonnement et de 300 000 euros d’amende, ainsi que des peines complémentaires prévues par les articles 226‑24 et 226‑31 du même code, sans préjudice de l’application des mesures et sanctions prévues par la loi n° 78‑17 du 6 janvier 1978 relative à l’informatique, aux fichiers et aux libertés et des sanctions pénales.

Übersetzt ist der Tatbestand unter folgenden Voraussetzungen erfüllt:

Die Identitätsdaten von Richtern und Angehörigen der Justiz dürfen nicht mit dem Ziel oder der Wirkung der Bewertung, Analyse, des Vergleichs oder der Vorhersage ihrer tatsächlichen oder angeblichen Berufspraktiken wiederverwendet werden.

Die „Grande Nation“ bestraft ihre Bürger demnach für Auswertung und Analyse von generell öffentlichen Daten.

Fazit

Predictive Analytics sind an sich nicht neu. Einmal mehr geht es um die Auswertung von Big Data. Auch in der juristischen Welt haben solche Verfahren längst Einzug erhalten. So ist es insbesondere im anglo-amerikanischen System mittlerweile gängig, eine Vorhersage über die Entscheidungspraxis von einzelnen Richtern zu treffen. Die so entstehende Transparenz der Justiz stärkt das Vertrauen der Bürger in ihr System und begrenzt Rechtsunsicherheiten durch persönlich motivierte Urteile.

Frankreich aber scheint davon nicht viel zu halten. Mit dem Hauch einer Doppelmoral nimmt die Nationalversammlung den Bürgern das Recht auf Wissen und Erkenntnis in einer einem Rechtsstaat unwürdigen Weise.

Und das alles nur um Richter zu schützen, die nicht aufgrund des Rechts, sondern auf der Grundlage ihrer persönlichen Meinungen urteilen.