Gewinnverteilungsmodell der VG Wort rechtswidrig – Verleger gehen leer aus
Der bereits rund fünf Jahre andauernde Rechtsstreit zwischen einem Autor und der Verwertungsgesellschaft VG Wort betreffend die Beteiligung privater Verleger an den Einnahmen der VG Wort ist nun zu einem Ende gekommen. Mit Urteil vom 21.04.2016 (BGH, I ZR 198/13) entschied nun der Bundesgerichtshof hierzu – zu Ungunsten der Verleger. Die bisherige Praxis der VG Wort, ihre Einnahmen hälftig an Verleger und Urheber auszuzahlen, sei rechtswidrig, so die Karlsruher Richter.
Die streitigen Einnahmen der VG Wort betreffen insbesondere Ansprüche der Urheber auf „angemessene Vergütung“ aus § 54 Urheberrechtsgesetz (UrhG) gegen Hersteller von Speichermedien und Geräten, mit denen Werke vervielfältigt werden können. Diese sogenannte Reprographieabgabe, die als Kompensation für die zahlreichen Privatkopien von Werken an deren Urheber gezahlt werden soll, soll von nun an allein den Urhebern zufließen. Die Verleger gehen ab sofort leer aus. Mit dieser Entscheidung passt sich der BGH der Rechtsansicht des EuGH an, der im Verfahren Hewlett Packard gegen die belgische Verwertungsgesellschaft Reprobel entschieden hatte, dass eine hälftige Teilung der Einnahmen zwischen Urhebern und Verlegern europarechtswidrig sei (EuGH, C-572/13). Den Verlegern stünde kein Anspruch auf Beteiligung an dem durch Art. 5 Abs. 2 der InfoSoc-Richtlinie gewährten „gerechten Ausgleich“ für die massenhaften Privatkopien (=Reprographievergütung) zu, da sie nicht selbst Inhaber des durch Art. 2 der Richtlinie gewährten Vervielfältigungsrechts seien.
Hiergegen brachte die VG Wort vor, das EuGH Urteil sei nicht auf den hiesigen Rechtsstreit übertragbar, da die Verleger-Beteiligung an der Vergütung in Deutschland nicht wie in Belgien auf einer gesetzlichen Regelung beruhe, sondern dem Verteilungsplan der VG Wort entspringe, der als einvernehmliche Vereinbarung zwischen Urhebern, Verlegern und der Verwertungsgesellschaft gelte. Zudem stünden in dem deutschen Verfahren nicht nur Ansprüche aus der Reprographievergütung, sondern auch andere Vergütungsansprüche in Rede. Schließlich stünde den Verlegern aber bereits deshalb ein Anspruch auf Beteiligung an der Vergütung zu, weil sie durch ihre Leistungen, die den Urhebern zugutekommen, erst die Einnahmen der Verwertungsgesellschaften ermöglichten.
Dem schien sich der BGH jedoch nicht anzuschließen. Vielmehr bestätigte er mit seinem Urteil offenbar die Auffassung der Vorinstanz (OLG München, Urt. v. 17.10.2013, 6 U 2492/12). Nach Ansicht des OLG München sei die Frage der Rechteeinbringung die entscheidende. Die Verwertungsgesellschaft dürfe ihre Einnahmen nur an diejenigen Berechtigten verteilen, die ihr ihre Rechte auch – zum Zwecke der treuhänderischen Wahrnehmung – übertragen habe. Den Verlegern komme aber schon kein originäres Leistungsschutzrecht zu. Auch seien ihnen keine Rechte von Urhebern übertragen worden, sodass es an dieser Grundvoraussetzung auf Seiten der Verleger fehle. Vielmehr müsse – so lässt die Pressemitteilung des BGH vermuten – von einem Verstoß gegen das Willkürverbot aus § 7 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) ausgegangen werden, wonach ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung der Einnahmen der Verwertungsgesellschaften verboten ist.
Das Entscheidung des BGH dürfte neben der VG Wort auch die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte), die ihre Einnahmen aus Vergütungsansprüchen als auch aus ihr übertragenen Nutzungsrechten bezieht, betreffen. Im Ergebnis bedeutet das Urteil, dass eine Verlegerbeteiligung künftig allenfalls durch ausdrückliche Abtretungserklärungen erzielt werden kann. Der Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaften allein kann hierfür keine Grundlage sein; erst Recht aber kann nicht durch die deutsche Gesetzgebung eine entsprechende Regelung geschaffen werden, die eine hälftige Verteilung der Reprographievergütung an Verleger und Urheber erlaubt. Dies wäre europarechtswidrig. Ein Tiefschlag für die Verleger also, an dem sich zunächst nicht mehr rütteln lässt.