BGH zum urheberrechtlichen Schutz von technischen Schutzmaßnahmen für Videospiele
Genießen technische Schutzmaßnahmen für urheberrechtlich geschützte Werke ihrerseits ebenfalls urheberrechtlichen Schutz? Mit dieser in den letzten Jahren viel diskutierten Frage hatte sich der für das Urheberrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 27. November 2014 (Az. I ZR 124/11 – Videospielkonsolen) nun erneut auseinanderzusetzen.
In dem Streitfall ging es um das Unternehmen Nintendo, das Videospiele und Konsolen produziert und vertreibt. Das Unternehmen ist Inhaberin der Rechte an den Sprach-, Musik-, Lichtbild – und Filmwerken sowie Computerprogrammen, aus denen die Videospiele bestehen. Diese Spiele werden ausschließlich auf besonderen Speicherkarten, speziell zugeschnitten auf die Nintendo-DS-Konsole, angeboten. Zur Verwendung der Konsole muss eine solche Speicherkarte in diese eingesetzt werden. Das Unternehmen PC Box vertreibt Adapter für diese Konsolen, die den originalen Speicherkarten von Nintendo genau nachgebildet sind und ebenfalls in den Kartenschacht der Nintendo-DS-Konsole eingeführt werden können. Dies ermöglicht Verbrauchern aus dem Internet heruntergeladene Raubkopien der Videospiele auf der Nintendo-Konsole zu verwenden. Durch die Software auf den Adaptern können folglich die Schutzmaßnahmen von Nintendo zum Schutz der Konsolen deaktiviert und umgangen werden. Das Unternehmen Nintendo sah in dem Vertrieb dieser Adapter einen Verstoß gegen § 95 a Abs. 3 UrhG. Demnach ist unter anderem der Verkauf und die Herstellung solcher Vorrichtungen verboten, die hauptsächlich entworfen werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen. Die Norm dient also dem Schutz wirksamer technischer Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Werke. Nintendo verklagte das Unternehmen PC Box wegen dieses vermeintlichen Verstoßes gemäß § 97 I, II UrhG auf Unterlassung und Schadensersatz.
Das Landgericht München hatte der Klage in erster Instanz stattgegeben (Urt. v. 14.10.2009- Az. 21 O 22196/08). Auch die Berufung der Beklagten vor dem Oberlandesgericht München hatte keinen Erfolg (Urt. v. 09.07.2011 – Az. 6 U 5037/09). Im Rahmen der Revision hat der BGH das Berufungsurteil nun weitgehend aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
In seiner Entscheidung führte der BGH zunächst aus, dass die Vorschrift des § 95 a UrhG auch technische Maßnahmen zum Schutz von Videospielen erfasse. Damit entspricht der BGH im Ergebnis der vom EuGH im Vorabentscheidungsersuchen zu demselben Verfahren geäußerten Ansicht, dass es sich bei Videospielen um komplexe Gegenstände handelt, die nicht nur Computerprogramme, sondern auch grafische und klangliche Bestandteile umfassen, denen, trotz ihrer Kodierung in einer Computersprache, ein eigener schöpferischer Wert zukommt (EuGH, Urt. v. 23.01.2014 – C-355/12; BGH, Vorlagebeschluss v. 06.02.2013 – I ZR 124/11). Der Ausschluss des urheberrechtlichen Schutzes für Computerprogramme nach § 69 a Abs. 5 UrhG greife nicht ein. Der Begriff „wirksame technische Maßnahmen“ in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrecht und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, welche in § 95 a Abs. 3 UrhG umgesetzt ist, sei weit auszulegen und erfasse auch die Zugangskontrolle oder einen Schutzmechanismus. Daher fielen auch technische Maßnahmen, die sowohl in den physischen Träger der Videospiele als auch in die Konsolen integriert sind und eine Interaktion untereinander fordern, unter den Begriff der „wirksamen technischen Maßnahme“ im Sinne der Richtlinie, wenn sie bezwecken, Handlungen zu verhindern oder zu beschränken, die die Rechte des Urhebers verletzen.
Nach der Entscheidung des EuGH ist eine Untersagung von Vorrichtungen bzw. Handlungen dann nicht gerechtfertigt, wenn diese einem anderen wirtschaftlichen Nutzen dienen als dem der Umgehung der technischen Schutzvorkehrungen zu rechtswidrigen Zwecken. Hierbei sei jedoch nicht auf den Verwendungszweck abzustellen, der den Spielkonsolen vom Rechteinhaber zugeschrieben wurde. Vielmehr müsse der Zweck der Vorrichtung, die die Schutzmaßnahme umgehen soll, unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände und insbesondere der Art und Weise, wie Dritte die Konsolen tatsächlich verwenden, geprüft werden. Zu fragen sei also danach, ob die Geräte von PC Box häufig zum Abspielen von Raubkopien von Nintendo-Spielen auf den Nintendo-Konsolen benutzt werden oder ob sie hauptsächlich zu legalen Zwecken verwendet werden.
Nach Ansicht der Karlsruher Richter seien die Adapter hauptsächlich zur Umgehung der Schutzvorrichtungen hergestellt worden. Hauptanreiz zum Kauf der Adapter durch die Verbraucher sei die Möglichkeit, Raubkopien auf den Konsolen abspielen zu können. Demgegenüber sei die legale Einsatzmöglichkeit der Adapter nur nebensächlich. Der BGH erkannte damit die Argumentation der Beklagten, sie wolle den Verbrauchern lediglich die Verwendung unabhängiger Software ermöglichen, die keine illegale Kopie von Videospielen sei, sondern das Abspielen von Filmen, Videos und MP3-Dateien auf den Konsolen möglich mache, nicht an.
Laut EuGH ist von dem zuständigen nationalen Gericht ferner zu prüfen, ob im Einzelfall andere Schutzmaßnahmen als die Untersagung geeignet sind, zu geringeren Beeinträchtigungen bzw. Beschränkungen Dritter zu führen, und diese dennoch einen vergleichbaren Schutz der Rechteinhaber gewährleisten können. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung habe das Berufungsgericht jedoch nicht vorgenommen, so der BGH. Die bisherigen Feststellungen des OLG München seien daher nicht ausreichend, um einen Unterlassungsanspruch sowie Schadensersatzanspruch zu bejahen. Der BGH verwies damit die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen zurück.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten: technische Schutzvorrichtungen für Videospiele als urheberrechtlich geschützte Werke unterliegen grundsätzlich selbst dem Schutz des Urheberrechts. Eine Umgehung des Schutzsystems kann im Einzelfall jedoch rechtmäßig sein.