BGH entscheidet über Haftung des Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Entscheidung vom 18.06.2014 (Az. I ZR 242/12) grundlegende Neuerungen für den Bereich der Geschäftsführerhaftung getroffen.
In dem Streitfall handelte es sich um ein Gasversorgerunternehmen, das in den Geschäftspraktiken einer GmbH, die im Auftrag eines konkurrierenden Gasversorgerunternehmens Gaslieferverträge vertrieb, einen Wettbewerbsverstoß sah und deshalb Klage auf Unterlassung und Schadensersatz erhob. Die Klägerin führte aus, die GmbH bringe die Verbraucher durch Haustürwerbung, die unrichtige und irreführende Angaben enthalte, dazu, ihre bisherigen Verträge mit ihr, der Klägerin, zu kündigen und neue Verträge mit dem Unternehmen, für das die beklagte GmbH tätig wurde, abzuschließen. Die Klägerin richtete die Klage allerdings nicht nur gegen die GmbH, sondern auch gegen deren Geschäftsführer selbst. Sie warf diesem vor, Kenntnis von den Wettbewerbsverstößen gehabt zu haben und diese nicht verhindert zu haben, obwohl ihm dies bei einer angemessenen Organisation des Geschäftsbetriebs möglich gewesen wäre. In der ersten Instanz wurde der Klage gegen die GmbH als auch der gegen den Geschäftsführer stattgegeben (LG Berlin, Urt. v. 10.02.2012; Az. 15 O 547/09). Hiergegen legte der Geschäftsführer Berufung ein. Das Berufungsgericht verwarf die erstinstanzliche Entscheidung sodann und wies die Klage gegen Geschäftsführer ab (Urt. v. 13.11.2012; Az. 5 U 30/12). Diese Entscheidung bestätigte der BGH im Rahmen der Revision der Klägerin und schloss sich im Wesentlichen der Begründung des Berufungsgerichts an. Demnach reiche es für die persönliche Haftung des Geschäftsführers nicht mehr wie zuvor aus, dass der Geschäftsführer Kenntnis von den Wettbewerbsverstößen hatte, die bei unter seiner Leitung stehender Geschäftstätigkeit begangen wurden, und er es unterließ diese zu verhindern. Vielmehr ist nach der Entscheidung des BGH fortan ein dem Geschäftsführer zurechenbares Verhalten, auf dem der Wettbewerbsverstoß beruht, erforderlich. Dieser muss folglich entweder an der unlauteren Wettbewerbshandlung durch positives Tun persönlich beteiligt oder zu deren Verhinderung aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung verpflichtet gewesen sein. Ferner kommt eine persönliche Haftung des Geschäftsführers in Betracht, wenn dieser Geschäftsmodelle selbst veranlasst, die wesensgemäß die Gefahr von Rechtsverletzungen mit sich bringen, sowie bei fundamentalen Entscheidungen, die typischerweise vom Geschäftsführer eigenständig getroffen werden. Diese neuen Voraussetzungen lagen beim beklagten Geschäftsführer nicht vor. Denn für die streitgegenständliche Haustürwerbung der GmbH wurden selbstständige Handelsvertreter beauftragt, die wiederum eigene Mitarbeiter oder andere Handelsvertreter mit der Bewerbung betrauten. Dass der Geschäftsführer Aufgabenbereiche des Direktvertriebs an Subunternehmer auslagerte, stelle keine erhöhte Gefahr für Wettbewerbsverstöße dar. Es handele sich bei der Beauftragung von Dritten um „eine wettbewerbsrechtlich grundsätzlich unbedenkliche Unternehmensentscheidung“, so der I. Zivilsenat. Dies könne ihm daher nicht negativ angelastet werden. Da auch die Haustürwerbung grundsätzlich zulässig sei, komme vorliegend eine persönliche Haftung des beklagten Geschäftsführers nicht in Betracht. Auch die aus der Organstellung des Geschäftsführers abgeleitete allgemeine Verantwortlichkeit für den Betrieb begründe noch keine Pflicht gegenüber Dritten, Verstöße der Gesellschaft gegen das Wettbewerbsrecht zu verhindern. Hiermit hat der BGH die persönliche Haftung des Geschäftsführers im Vergleich zur Vergangenheit deutlich eingeschränkt und entfernt sich damit für den Bereich des Wettbewerbsrechts von der sonst üblichen Störerhaftung.