Freispruch! Etappensieg vor dem AG Chemnitz

Gestern, am 28.02.2023 gegen 16 Uhr, bevor der Richter das Urteil verkündete, war die Anspannung bei allen Beteiligten stark spürbar.

Kurze Zeit später – Erleichterung – ein Freispruch vom Vorwurf des Selbstdopings gem. § 4 Abs. 1 Nr. 5 iVm. § 3 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG. 

Das Gericht konnte Frau Schlittig nicht nachweise, dass sie DHCMT (Oral-Turinabol) vorsätzlich, mit dem Ziel der Leistungssteigerung in einem Wettbewerb, zu sich genommen hatte.
Vor allem der Sachverständige, Dr. Detlef Thieme forensischer Toxikologe und ehemaliger Leiter des WADA-akkreditierten Dopingkontrolllabors in Kreischa, machte deutlich, dass dieser Fall deutlich von allen anderen DHCMT-Dopingfällen der letzten drei Jahre abweiche.

Die Gesamtschau der Umstände: fehlendes Vorliegen von sog. Metaboliten, ausgesprochen hohe Doping-Kontrolldichte der Sportlerin und geringe Konzentrationsmenge, waren für ihn die maßgeblichen Punkte, die „mit überwältigender Wahrscheinlichkeit gegen die Möglichkeit einer pharmakologisch relevanten Manipulation mit DHCMT und einer resultierenden Leistungssteigerung“ sprachen.

Das Gericht hatte eine Einstellung gem. § 47 Jugendgerichtsgesetz (JGG) vorgeschlagen. Jedoch ließ sich die Staatsanwaltschaft von den guten Argumenten der Verteidigung überzeugen, dass es hier nur einen Ausgang des Strafverfahrens geben könne, nämlich einen Freispruch. Denn Frau Schlittig trifft hier gerade keine geringe Schuld iSd. § 47 JGG. Aus Sicht der Verteidigung lagen die Voraussetzungen für die Anwendung des Jugendstrafrechts – im Übrigen – nicht vor. Frau Schlittig war Zeitpunkt der ihr zu unrecht vorgeworfenen Tat Heranwachsende iSd. Gesetzes – Frau Schlittig war über 18  Jahre alt und aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung und ihrer persönlichen Reife gerade keine Jugendliche iSd JGG. Nach dem Erwachsenenstrafrecht hätte Frau Schlittig einer Einstellung, wie sie das Gericht vor Augen hatte, nach § 153 Abs. 2 StPO zustimmen müssen. Und das wollte sie verständlicherweise nicht. Sie wollte den verdienten Freispruch.
Aufgrund der vorstehenden Umstände beantragte schließlich die Staatsanwaltschaft ebenso, wie die Verteidigung einen Freispruch.
Das Gericht schloss sich diesen Anträgen an. Es sah keine Anhaltspunkte dafür, dass Frau Schlittig DHCMT zur Leistungssteigerung zu sich genommen hatte.

Sportrecht vs. Strafrecht

Im vorliegenden Verfahren wird jedoch deutlich, dass erhebliche Unterschiede zwischen dem strafrechtlichen staatlichen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und dem sportrechtlichen Verfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof  (CAS) in Lausanne bestehen.

Im deutschen Strafrecht gilt die Unschuldsvermutung, dass heißt die Beschuldigte gilt als unschuldig, solange der Amtsermittlungsgrundsatz des Gerichts – zur festen Überzeugung des Gerichts – keine anderen Anhaltspunkte hervorbringt. Hier blieben erhebliche Zweifel an der Absicht, sich im Wettkampf einen Vorteil verschaffen zu wollen.

Im Sportrecht dagegen gilt der Grundsatz „strict liability“. Dieser besagt, dass der Sportler selbst dafür verantwortlich ist, welche Substanzen in seinen Körper gelangen. Sobald eine positive Dopingprobe vorliegt, ist es am Sportler, zu beweisen, dass er nicht vorsätzlich Dopingmittel zu sich genommen hat.
Während es bereits bei verunreinigten Nahrungsergänzungsmitteln oder Lebensmitteln schwierig – nahezu unmöglich – ist, den genauen Beweis zu erbringen, dass der Stoff nicht zu Dopingzwecken in den Körper der Athletin gelangt ist, ist es bei Berührungen durch Dritte unmöglich!

Berührungen durch Dritte oder eine Aufnahme durch die Haut kann im Nachhinein durch die Sportlerin nicht konkret nachgewiesen oder rekonstruiert werden.
Dies ist im vorliegenden Fall jedoch die wissenschaftlich wahrscheinlichste Erklärung – laut verschiedenen Sachverständigen ist das Fehlen von sog. Metaboliten (Abbauprodukten) anders nur schwierig zu erklären.
In einer Studie der Sporthochschule Köln wurde gezeigt, dass DHCMT durchaus über die Haut aufgenommen werden kann. Die ARD hatte gezeigt, dass es durch eine solche Aufnahme zu neuen Problemen für Sportlerinnen kommen kann – unbewusste Berührungen durch Dritte, die weitreichende Auswirkungen haben können.

Das sportrechtliche Urteil des internationalen Sportgerichtshof in Lausanne wird in den nächsten Wochen erwartet. 

Severin und Steffen Lask

 

Gericht verhindert Abstieg aus der Ligue 1

In Frankreich wurde jetzt vom Conseil d’Etat, eine Art französisches Bundesverwaltungsgericht beschlossen, dass sowohl Amiens als auch Toulouse nicht aus der Ligue 1 absteigen. Beide Vereine hatten nach dem Abbruch der Liga, nach 28 von 38 Spielen, gegen den Abstieg geklagt. Das Gericht gab ihnen Recht und begründete seine Entscheidung damit, dass die Vereinbarung des FFF (Französischer Fußballverband) für eine Begrenzung auf 20 Mannschaften pro Saison nur bis zum 30. Juni 2020 laufe, so dass der Abstieg bei gleichzeitigem Aufstieg der ersten beiden Teams aus Ligue 2 nicht die zwingende Folge sein müsse. Daher sei die Entscheidung des Verbandes, Amiens und Toulouse absteigen zu lassen, nicht rechtens.

Ferner hatte der Fußballclub aus Lyon Klage eingereicht. Denn Lyon steht nach dem Abbruch der Ligue 1 auf dem siebtem Tabellenplatz, welcher nächstes Jahr nicht für die Teilnahme an den internationalen Wettbewerben ausreicht. Lyon hatte versucht, die Klage damit zu begründen, dass zum Beispiel Nizza, die die Saison auf Platz fünf beendet hatten, mehr Heimspiele austragen konnte und somit gegenüber Lyon einen Vorteil gehabt habe. Die Richter des Conseil d’Etat waren in diesem Fall jedoch der Meinung, dass der Abstieg nach einer solchen abgebrochenen Saison schwerer wiege als das Verpassen der internationalen Plätze und gaben der Klage von Lyon deshalb nicht statt.

Fraglich ist nach diesem Urteil jedoch, wie die Saison in Frankreich nächstes Jahr aussehen wird. Die Möglichkeit, die Anzahl der Mannschaften von 20 auf 22 anzuheben gibt es, jedoch werden dann die Fernsehgelder unter zwei Mannschaften mehr aufgeteilt werden müssen, was durchaus nicht auf Begeisterung stoßen wird. 

Es wird spannend, zu beobachten, wie sich die französischen Fußballfunktionäre mit dem Urteil des Gerichts abfinden werden und welche Lösung sie letztlich für die nächste Fußball-Saison finden werden. Eines steht jedenfalls fest: den Abstieg von Toulouse und Amiens hat das Gericht verhindert.

Severin Lask/Steffen Lask

Fußballprofis im Visier der Strafjustiz

Fußball V

Dass Fußballer von Verkehrsregeln nicht befreit sind, sah man bereits am Fall Marco Reus. Wieder steht ein Fußballprofi, Marco Russ, Abwehrspezialist der Eintracht Frankfurt, vor einem Strafrichter. Medienberichten zufolge soll er deutlich zu schnell gefahren sein und obendrein eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben. Einer Gerichtsladung aufgrund des Tempoverstoßes soll er nicht gefolgt sein, sondern nebst Einreichung eines ärztlichen Attestes eidesstattlich versichert haben, dass er verhandlungsunfähig sei. Blöd nur, dass er am Tag der vorgesehenen Gerichtsverhandlung in einem Testspiel auflief. Dies blieb der Justiz nicht verborgen, sodass ein Strafbefehl über 160.000 € erging. Dagegen soll Russ bereits Einspruch eingelegt haben. Nun wird über den Einspruch mündlich verhandelt, es sei denn, Russ nimmt den Einspruch zurück und zahlt.

Einem weiteren Profi wird ein durchaus gewichtiger Strafvorwurf gemacht. Timo Gebhardt, Mittelfeldspieler des 1. FC Nürnberg, soll in zwei Disko-Schlägereien verwickelt worden sein. Zum einen wird ihm vorgeworfen, eine Frau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben. Zum anderen soll er einen am Boden liegenden Türsteher getreten haben. Bei der gestrigen Hauptverhandlung lehnte Gebhardt einen Verständigungsvorschlag der Staatsanwaltschaft, wonach die Türsteher-Sache fallengelassen würde, soweit er in der Würgegeschichte umfassend aussage, ab. Dem 25-Jährigen droht eine Haftstrafe. Ein Urteil soll am 13. Januar fallen.

Dennis Cukurov / Prof. Dr. Steffen Lask

Rigoroses Urteil im Skandalspiel

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Die UEFA hat geurteilt. Das Skandalspiel zwischen Serbien und Albanien wird für beide Beteiligten zur Niederlage. Die Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer der UEFA entschied, dass das Spiel an sich 3:0 für Serbien gewertet wird. Zugleich werden Serbien allerdings drei Punkte abgezogen, sodass weder Heim- noch Gastteam in diesem Fall einen Punktgewinn aus der Partie ziehen können und gleichauf in der EM-Quali-Gruppe I bleiben. Lediglich die Tordifferenz soll in die Gesamtwertung eingehen.

Zusätzlich werden beide Verbände mit je 100 000 € zur Kasse gebeten. Obendrein wird die serbische Fußballnationalmannschaft ihre kommenden zwei Quali-Heimspiele vor leeren Rängen austragen müssen.

„Ich bin nicht zufrieden, mehr möchte ich jetzt nicht sagen“,
erklärte Goran Milanovic, der Vizepräsident des serbischen Verbands.

 

Gegen das Urteil können die Beteiligten Rechtsmittel einlegen. Dass diese Möglichkeit geltend gemacht werden könnte, kündigte zumindest die albanische Seite bereits an.

„Wir werden Einspruch dagegen einlegen und unsere Rechte einfordern“,
so Armand Duka, der albanische Verbandsboss.

 

Ob diese Begegnung tatsächlich in eine weitere Runde gehen wird, bleibt abzuwarten. Festzuhalten gilt jedoch, dass die UEFA ein scheinbar richtiges Signal gesetzt hat. Solche Vorfälle haben im Sport nichts zu suchen. Und kommen sie dennoch vor, können aus der Perspektive des Sports alle Beteiligten nur als Verlierer gesehen werden.

Dennis Cukurov

Schlussplädoyers im Pistorius-Prozess

Im Verfahren gegen den wegen Mordes angeklagten Paralympicsathleten Oscar Pistorius haben die für zwei Tage angesetzten Schlussplädoyers begonnen. Nach nunmehr 39 Verhandlungstagen und 36 Zeugen haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung die Gelegenheit, den in der Hauptverhandlung ermittelten Sachverhalt darzustellen und rechtlich zu bewerten.

Kurze Rückblende: Der Mordprozess begann im März diesen Jahres. Er war geprägt durch zahlreiche Unterbrechungen und Verzögerungen. Zwischenzeitlich wurde Pistorius zur klinischen Untersuchung in eine Psychiatrie überstellt. Nach einer knapp 6-wöchigen Beobachtung stellten Gutachter fest, der Angeklagte sei zum Zeitpunkt der Tathandlung voll schuldfähig gewesen.

Zurück zu den Plädoyers: Staatsanwalt Gerrie Nel läutete die Schlussreden ein. Er plädierte wie erwartet auf Mord. Nel bezichtigte den beinamputierten Sprinter mehrfacher Lügen und sprach von einem „Domino-Effekt“: Die vermeintliche Lüge, Reeva Steenkamp irrtümlich erschossen zu haben, soll die anschließenden Lügen losgelöst haben. „Euer Ehren, es sind einfach so viele Lügen. Es ist fast schon lächerlich“, so Nel. Die von der Verteidigung in der Hauptverhandlung angeführten Angstzustände, denen Pistorius ausgesetzt sei, betitelte der Staatsanwalt mit „Ängstlichkeit auf Abruf“. Schließlich ging er auf das Liebesverhältnis des Südafrikaners und Steenkamp ein. In 90% der ausgetauschten Nachrichten via WhatsApp habe es zwar Liebesbekundungen gegeben, was zähle, wären hingegen die restlichen 10%, betonte Gerrie Nel und verlas eine Nachricht, die kurz vor dem tragischen Ereignis seitens des Opfers kommuniziert wurde: „Manchmal habe ich Angst vor Dir.“

Pistorius‘ Verteidiger Barry Roux wird sein Schlussplädoyer am heutigen Nachmittag, voraussichtlich aber am morgigen Freitag halten. Ein Urteil wird Ende August erwartet.

Dennis Cukurov / Prof. Dr. Steffen Lask