Keine Sperre für Gewichtheberin Vicky Schlittig – ein vorläufiger Erfolg
Am 02.08.2023 erhielten wir das lang erwartete Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) im Dopingverfahren gegen die Gewichtheberin, Vicky Schlittig, in dem die Internationale Gewichtheber Föderation (IWF), vertreten durch die International Testing Agency (ITA) eine vierjährige Sperrfrist anstrebt.
Der Schiedsspruch fiel zugunsten unserer Mandantin aus. Keine (weitere) Sperre für Frau Schlittig! Der Richter – es handelt sich um eine Einzelrichterentscheidung – ist unserer Argumentation gefolgt und sieht im vorliegenden Fall weder eine Schuld noch Fahrlässigkeit bei Frau Schlittig. Mit anderen Worten: Sie hat den positiven Dopingbefund nicht schuldhaft/nicht fahrlässig verursacht.
Im Schiedsspruch des CAS heißt es u.a. wörtlich:
„Ms. Vicky Annett Schlittig has established in accordance with Article 10.5 of the IWF ADR that she bore No Fault or Negligence for the anti-doping rule violation. No period of Ineligibility is imposed.“
Bereits in der Sachverhaltsdarstellung weist der Richter auf Versäumnisse in der Verfahrensführung durch die ITA hin. Das Gericht macht deutlich, dass die ITA es phasenweise versäumt habe, das Verfahren ordnungsgemäß zu führen. Auf eine falsche Namensbezeichnung in den Dopingprotokollen, die von der ITA gefertigt wurden, im Fall-Schlittig, hatten wir hingewiesen. In den Protokollen war von einem männlichen Athleten die Rede. Die ITA konnte bis heute keine schlüssige Erklärung liefern, wie es zu diesem falschen Namen gekommen ist. Zudem verursachte dieser Fehler erhebliche Kosten für Frau Schlittig, die eine DNA-Analyse auf eigene Kosten beantragen musste.
Das greift das CAS auf.
Der Richter erkennt an, dass unsere verschiedenen Erklärungsansätze für den positiven Dopingtest maßgeblich durch die mangelhafte Prozessführung der ITA verursacht wurden, da uns die ITA keine, für unsere Verteidigung, ausreichenden Informationen zur Verfügung gestellt hatte. So hat uns die ITA beispielsweise vier Monate lang wichtige Informationen vorenthalten, die durch das akkreditierten Dopinglabor in Köln ermittelt wurden.
Wir haben uns in unseren Ausführungen immer an den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert, so die zutreffende Entscheidung des Gerichts.
Unsere Argumentation war letztendlich überzeugend.
Der Richter hat sich durch die (teilweise) übereinstimmenden Gutachten Sachverständigen Dr. de Boer, beauftragt durch uns als Verteidiger und des Sachverständigen der ITA Prof. Saugy, die Meinung gebildet, dass eine transdermale Übertragung/Einnahme wenige Stunden bis wenige Tage vor dem Tag der Kontrolle stattgefunden habe. Er betont nochmals, dass beide Experten zu dem Schluss gekommen seien, dass eine einmalige Anwendung von DHCMT keine sportlich relevante Leistungssteigerung zur Folge habe.
Die Aussagen von Frau Schlittig zum Ablauf der Tage vor dem Wettkampf waren ebenso maßgeblich. Ihre Erklärungen über den Ablauf der Anreise, die Unterbringung im Hotel, die Trainingseinheiten vor Ort und das Prozedere der Dopingkontrolle waren für den Richter überzeugend.
Abschließend fasste der Richter noch einmal zusammen:
Der Fall unterscheidet sich maßgeblich von anderen Sachverhaltskonstellationen durch das Fehlen von Metaboliten. Das CAS stimmt unserer rechtlichen Einschätzung insoweit zu, dass aufgrund des vorherigen – unmittelbar vor der hier streitgegenständlichen Kontrolle – und des nachfolgenden negativen Tests, der geringen Menge der verbotenen Substanz DHCMT sowie aufgrund der Aussagen von Frau Schlittig und der weiteren Beweise über die zahlreichen Kontakte, die in den Tagen und Stunden vor dem positiven Test stattgefunden haben, es wahrscheinlich sei, dass Frau Schlittig einer unbeabsichtigten, transdermalen Übertragung von DHCMT ausgesetzt gewesen sei, und dass daher keine Schuld oder Fahrlässigkeit bei ihr vorläge.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die ITA kann innerhalb von 21 Tagen Rechtsmittel einlegen. Daher wird die Freude über das sehr positive Urteil noch etwas getrübt.
Es heißt weiter: Daumen drücken!
Severin Lask / Steffen Lask