Neues in Sachen „Sommermärchen 2006“

Es gibt zwei Neuigkeiten, die es wert sind, zusammengefasst und hier veröffentlicht zu werden.

Erstens Sepp Blatter hat der Süddeutschen Zeitung ein Interview gegeben, in welchem er u. a. mit den Worten zitiert wird: „Ich bin mit mir im Reinen.“ Das überrascht nicht sonderlich. Interessanter ist eine Äußerung von Blatter, der bis 2015 FIFA Präsident war, die er im Zusammenhang mit dem Sommermärchen 2006 – der Fußball WM in Deutschland – und den Kosten für eine Gala machte. Blatter erklärte: „Die FIFA hätte die Gala nicht veranstaltet.“ Warum war dann diese Gala von der Bundesregierung in die Zuständigkeit der FIFA übertragen worden, hatten die Journalisten gefragt. Wozu dieses Manöver? Nach der Übertragung waren 6,7 Mio Euro an die FIFA geleistet worden vom Organisationskomitee und von dort sind die Millionen sofort an Dreyfus, den ehemaligen Adidasgroßaktionär gezahlt worden. Dreyfus hatte nämlich Jahre zuvor an seinen guten Bekannten Franz Beckenbauer ein Darlehen von 10 Mio Euro gewährt, Geld das schließlich an den FIFA Funktionär Mohamed Bin Hammam/Katar geflossen sein soll. Hierzu wird durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt/M. und die zuständigen Finanzämter ermittelt.

Die Äußerung von Blatter ist Öl in das Feuer der Ermittler.

Zweitens ist dem DFB e.V. durch die Finanzverwaltung Frankfurt/M. im Zusammenhang mit dem Sommermärchen 2006 die Gemeinnützigkeit aberkannt worden, was zu einer Nachforderung von 22 Mio Euro Steuern geführt haben soll, wie berichtet wird. In diesem Zusammenhang wird der DFB-Schatzmeister Osnabrügge zitiert, der den Finanzbericht 2017 des DFB vorgestellt hat. Osnabrügge wird weiterhin zitiert, dass der DFB nunmehr verpflichtet sei, die Beteiligten, die zu dieser Nachforderung der Finanzverwaltung Veranlassung gegeben haben, persönlich in Anspruch zu nehmen im Rahmen einer Schadensersatzklage.

Die Schadensersatzklage müsste sich folgerichtig gegen die Verantwortlichen des Präsidiums des DFB richten.

 

Es bleibt spannend.

 

Steffen Lask

Anklage gegen ehemalige DFB-Größen Niersbach, Zwanziger, Schmidt

Die früheren Präsidenten des DFB, Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger und der ehemalige Generalsekretär Horst Schmidt haben über ihre Verteidigungen beim Landgericht Frankfurt/Main beantragt, die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Mit dem Eingang der Anklage der Staatsanwaltschaft beim Landgericht/der Großen Wirtschaftsstrafkammer ist zunächst das Ermittlungsverfahren abgeschlossen und das Zwischenverfahren hat begonnen. Die Wirtschaftskammer hat nunmehr zu entscheiden, ob die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens („des vorbereitenden Verfahrens„) die Beschuldigten hinreichend verdächtig erscheinen lassen. So regelt es die Strafprozessordnung in § 203 StPO. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls sieht genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage nach den bisherigen Ermittlungen im vorbereitenden Verfahren (§ 170 Abs. 1 StPO).

Sollte das Landgericht die Ermittlungsergebnisse im jetzigen Verfahrensstadium ebenso bewerten wie die Staatsanwaltschaft, dann erlässt das Landgericht Frankfurt/M. einen sog. Eröffnungsbeschluss mit dem Inhalt, dass das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird. Dagegen haben die Beschuldigten und ihre Verteidiger kein Rechtsmittel. Dann wird sich erst im Hauptververfahren zeigen, ob die früheren DFB-Funktionäre freigesprochen oder verurteilt werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Ex-DFB-Funktionären Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall vor. Gemeinschaftlich handelnd hätten die Beschuldigten eine Zahlung in Höhe von € 6,7 Mio. in der Steuererklärung des DFB e.V. für das Jahr 2006 als Betriebsausgabe gewinnmindernd erklärt als angeblichen Kostenbeitrag für eine WM-Feier/Gala. Tatsächlich soll damit eine Darlehensrückzahlung an den früheren ADIDAS-Chef Dreyfus finanziert worden sein, der seinerseits an einen früheren FIFA-Funktionär in Vorleistung gegangen sei.

Es bleibt spannend, das Sommermärchen von 2006.

 

Steffen Lask

 

 

Compliance im Sport ./. Regelverstöße im DFB und IOC

1.

Wie gestern berichtet wurde, muss auch die neue Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) unter dem Präsidenten Reinhard Grindel im Zuge der Aufarbeitung um die Vergabepraxis der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland lavieren. Erst jetzt ist eine angeblich brisante Datei – angelegt vom früheren DFB-Vizegeneralsekretär Stefan Hans – mit dem Namen „Erdbeben“ der die Ermittlungen führenden Staatsanwaltschaft übergeben worden. Hans war seinerzeit vom früheren Verbandschef Niersbach als enger Vertrauter gebeten worden, ein Dossier über die Vorgänge zur WM-Vergabe anzulegen. Bei Durchsuchungen der DFB-Zentrale in Frankfurt durch die Staatsanwaltschaft ist diese Datei offenbar nicht beschlagnahmt worden. Die Datei soll vor einem Jahr – im November 2015 – angelegt worden sein. Die Rechtsanwaltskanzlei Freshfields war mit der Aufklärung beauftragt worden und hatte im März diesen Jahres einen Abschlussbericht erstellt. In diesem wird nicht auf die Datei „Erdbeben“ eingegangen. Warum nicht? Dazu gibt es nunmehr das Lavieren der DFB-Führung u.a. das Bekenntnis des Vizepräsidenten Koch, man habe zunächst versucht, die Datei zu öffnen, was nicht gelang und im Übrigen sei man davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaft die Datei möglicherweise doch schon habe. Ein Eiertanz. Jetzt jedenfalls ist die Datei bei der Staatsanwaltschaft, immerhin.

2.

Und es gibt etwas Neues aus dem Hause des – von Dr. Thomas Bach geführten – IOC. Sein enger Vertrauter, der Ire Patrick Hickey, der im Zusammenhang mit illegalen Ticketverkäufen in Rio de Janeiro während der Olympischen Spiele festgenommen worden war, ist auf Kaution frei. Der IOC-Funktionär und Präsident des Europäischen Olympischen Komitees (EOC) saß zunächst im Hochsicherheitsgefängnis in Rio, war aber bereits im August aus medizinischen Gründen entlassen worden und durfte bisher Brasilien nicht verlassen. Nun ist ihm sein Pass zurückgegeben worden gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung (Kaution) in Höhe von umgerechnet € 400.000. Hickey wird vorgeworfen, Olympia-Tickets aus dem nationalen irischen Kontingent zu überteuerten Konditionen an die Ticket- und Hospitality Firma (THG) weitergegeben und sich so persönlich bereichert zu haben. Hickey bestreitet die Vorwürfe.

 

BGH: Zwangsabstiegsbeschluss im Fall des SV Wilhelmshaven nichtig

Fußball V

Der BGH, Urteil des II. Zivilsenats vom 20.9.2016, Az. II ZR 25/15, hat den Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven für unwirksam erklärt. Damit nimmt ein Prozessmarathon, über den wir zwischenzeitlich berichteten, sein zumindest vorläufiges Ende. Hintergrund des Zwangsabstiegs war das einstige argentinische Nachwuchstalent Sergio Sagarazu, das nach seinem kurzen Engagement beim niedersächsischen Traditionsverein schon mittlerweile neun Transfers über sich ergehen lassen musste. Sagarazu wechselte im Jahr 2007 zum heutigen Bezirksligisten. Nachdem er den SV verlassen hatte, forderten River Plate und Atlético Excursionistas, die Jugendvereine Sagarazus, die ihnen nach den FIFA-Statuten zustehende Ausbildungsentschädigung ein, und zwar knapp 160.00 Euro. Der SV Wilhelmshaven verweigerte die Zahlung. Es folgten mehrere Punktabzüge, der Zwangsabstieg und letztlich der Sturz in die unterklassige Fußballsphäre.

Den Hintergrund des sodann folgenden Rechtsstreits hat der Jurist und Vizepräsident des DFB Rainer Koch in einem Interview mit der FAZ noch vor der BGH-Entscheidung auf den Punkt gebracht: „Die Frage, die hinter dem Rechtsstreit steht, ist: Wie kann ich gemeinschaftlich geltende, internationale Normen, die für alle Beteiligten gleichermaßen gelten müssen, bis zum einzelnen Vereinsmitglied durchsetzen. Das Problem ist: Wilhelmshaven ist wie die anderen Vereine auch kein unmittelbares Mitglied im DFB oder der Fifa, sondern nur Mitglied eines der Landesverbände. Diese bilden neben dem Ligaverband und den Regionalverbänden die 27 Mitglieder des DFB, der Mitglied der Fifa ist. Wenn wir im DFB eine Bestimmung ändern beispielsweise im Transferrecht, dann muss das aber natürlich für alle unsere über 25000 Vereine und 80000 Mannschaften Gültigkeit finden. Nur so besteht Rechtssicherheit und Gleichheit für alle beteiligten Vereine und Sportler. Wenn Wilhelmshaven Recht bekommt, ist all das in Frage gestellt.“

Die Entscheidung des BGH stellt „all das“ nur bedingt in Frage. Der BGH hält den Abstiegsbeschluss des Norddeutschen Fußballverbands zwar für nichtig. Es fehle eine Regelung, die eine vereinsrechtliche Disziplinarstrafe möglich mache. In der Satzung des Norddeutschen Fußballverbands, der Mitglied des DFB und dieser wiederum Mitglied der FIFA ist, sei keine Grundlage für Disziplinarstrafen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen vorgesehen. „Ob sich aus den Satzungen des DFB oder der FIFA entsprechende Bestimmungen ergeben, ist ohne Belang. Maßgebend ist allein die Satzung des Beklagten. Denn der Kläger ist nur Mitglied des Beklagten, nicht auch des DFB oder gar der FIFA. Regeln eines übergeordneten Verbands – wie hier der FIFA – gelten grundsätzlich nur für dessen Mitglieder. Sie erstrecken sich nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft eines nachgeordneten Vereins – hier des Beklagten – in dem übergeordneten Verband auf die Mitglieder des nachgeordneten Vereins – hier den Kläger. Damit ist der Beschluss über den Zwangsabstieg allein an der Satzung des Beklagten zu messen. Diese Satzung verweist hinsichtlich von Disziplinarmaßnahmen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen auch nicht auf die Bestimmungen in den Regelwerken des DFB oder der FIFA.“, heißt es in der Pressemitteilung. Der BGH deutet allerdings zugleich an, ein einfacher Verweis auf die entsprechenden DFB- und FIFA-Statuten hätte bereits ausreichen können.

Im Übrigen weist der Fall des SV Wilhelmshaven gewissen Parallelen zum Fall von Claudia Pechstein auf. Auch der SV Wilhelmshaven beschritt zunächst den Weg über die Sportverbands- und Sportschiedsgerichtsbarkeit bis hin zum CAS. Erst danach klagte er vor dem LG Bremen und legte Berufung zum OLG Bremen ein.

Es bleibt abzuwarten, wie die Sportwelt und insbesondere die FIFA auf die BGH-Entscheidung reagieren wird.

WM-Affäre: Niersbach tritt zurück!

Team III

„Das Amt des DFB-Präsidenten darf nicht belastet werden. Das Amt steht über der Person. Deshalb die Entscheidung, die mir unheimlich schwer gefallen ist. Der DFB ist mehr als ein Job für mich gewesen, sondern immer eine Herzensangelegenheit. Die WM 2006 war ein Highlight meines Lebens, den ich nie vergessen werde“, so Wolfgang Niersbach vor wenigen Minuten. Weiterhin erklärte der 64-Jährige, der Rücktritt sei nicht auf einen Vertrauensentzug der Landesverbände zurückzuführen, vielmehr habe er sich entschlossen, die politische Verantwortung zu übernehmen. Vorläufig sollen nach Medienberichten Reinhard Rauball und Rainer Koch das Amt des DFB-Präsidenten übernehmen. Es bleibt spannend. Interessant wird sein, welche Details der Präsidiumssitzung in den nächsten Stunden veröffentlicht werden.

Dennis Cukurov / Prof. Dr. Steffen Lask