Die von einigen Athleten – Klägern – ersehnte Entscheidung des CAS ist da: Die lebenslangen Sperren, die das IOC in beispielloser Manier verhängte hatte, wurden aufgehoben – teilweise mit sofortiger Wirkung für 28 Sportler, darunter Olympiasieger wie z.B. Alexander Legkow (Ski-Langlauf) und Dimitri Trunenkow (Bob); für andere russische Athleten ist die Sperre – lebenslang – ebenfalls rechtwidrig, sie bleiben aber für die kommenden Winterspiele gesperrt und ihre bisherigen Ergebnisse gelten weiter als annulliert.
Offen gestanden: Jeder, der bei juristischem Verstand ist, musste mit einer derartigen Entscheidung rechnen, wenn nicht gar diese erwarten. Lediglich die Empörten, die sog. Doping-Experten, die teilweise in populistischem Eifer über nahezu sämtliche Medien alle Athleten, die aus Russland kommen, in Sippenhaft genommen haben, die mögen nunmehr enttäuscht sein.
Das IOC hatte 43 russische Sportler wegen des organisierten Staatsdopings lebenslang gesperrt. 42 von ihnen hatten Klage dagegen bei Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne erhoben. Die Sperre wurde gestützt – im Wesentlichen – auf die Aussagen eines Mannes: Grigori Rodschenkow, Generalzeuge, der aus Russland nach Amerika geflohen und früher nach eigenen Angaben in das Doping-System Russlands eingebunden war und dieses maßgeblich als Leiter des Moskauer Anti-Dopiung-Labors gestützt hatte. Seine Aussagen bilden letztlich die Grundlage für den viel zitierten McLaren Bericht, der zurecht das System in Russland angeprangt, aber der eben nicht Individualvergehen der einzelnen Sportler herausgearbeiten konnte, so dass darauf rechtssicher eine Sperrfrist verhängt hätte werden können.
Selbstherrlich hat das IOC entschieden, fernab jeder juristischen – man mag sagen – fern jeder sportjuristischen Vernunft – die mitunter mit der „normalen“ Jura ohnehin kollidiert – und hat nun die Quittung vom „eigenen“ Gericht bekommen. Man ist gar versucht, zu fragen, ob das gar Teil eines Deals war. Aber das ist zugegeben nur Spekulation.
Fakt ist, dass damit noch nicht – notwendigerweise – der Weg nach Korea für die 28 Sportler führt. Aber es sieht für sie nicht schlecht aus.
Mal sehen.
Steffen Lask
Witalij Mutko, der frühere Sportminister Russlands, will sich gegen seine Sperre, die ihn von den Olympischen Winterspielen in PyeongChang ausschließt, vor dem Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne wehren. Der heutige Vizepräsident Russlands ist wegen des sog. Staatsdopings in Russland vor allen Dingen um die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 lebenslang vom ICO gesperrt worden und darf deshalb nicht – wie andere Funktionäre des russischen Sports (ROC) und eine Reihe von Athleten – nicht zu den am 9. Februar beginnenden Olympischen Winterspielen. Bei den Winterspielen dürfen einige russische Athleten an den Start gehen, jedoch lediglich unter einer neutralen Flagge und nicht als russisches Team. Nahezu sämtliche gesperrte russische Athleten haben Klegen beim CAS eingereicht, über die noch vor den Winterspielen entschieden werden muss und soll. Zu den gesperrten Sportlern zählt eine Reihe von olympischen Medaillengewinnern.
Bis Mitte Dezember war Mutko der Cheforganisator der Fußball-WM 2018. Die Funktion hat er im Zuge seiner Sperre aufgegeben. Mutko wird eine tragende Rolle zugewiesen, wenn es heißt, in Russland gäbe es ein vom Staat verordnetes und geordnetes Dopingsystem.
Die Entscheidungen des CAS werden mit Spannung erwartet.
Steffen Lask
Der erste südkoreanische Schwimm-Olympiasieger Park Tae-Hwan hat Klage beim Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne erhoben. Er will sich damit seine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro erstreiten. Park gewann als erster Südkoreaner überhaupt im Schwimmen über 400 m Freistil Olympisches Gold in Peking 2008. Er war 2014 nach einem positiven Dopingtest auf ein verbotenes Steroid für 18 Monate gesperrt worden. Die Sperre endete bereits im März. Nach einer nationalen Regelung ist er jedoch weiterhin von einer Teilnahme an Olympischen Spielen durch den südkoreanischen Verband ausgeschlossen.
Park hatte in Peking nicht nur den Olympiasieg über 400 m Freistil, sondern auch Silber über 200 m Freistil gewonnen. Er gehörte zudem auch vier Jahre später in London 2012 zu den Medaillengewinnern. Dort holte er über die beiden Freistilstrecken jeweils Silber. Park ist darüber hinaus zweifacher Weltmeister.
Die Nominierungsfrist durch den Verband in Südkorea endet am 08.07.2016. Es handelt sich angesichts der Kürze der Zeit, die noch zur Verfügung steht, um eine Eilentscheidung, die Park begehrt. Grundsätzlich sollte es dem nationalen Verband vorbehalten bleiben, Nominierungskriterien und -richtlinien aufzustellen und so diese nicht willkürlich missachtet werden, sollten sie Bestand haben und einer rechtlichen Überprüfung Stand halten.
Bei den Olympischen Spielen in Rio wird wohl kein russischer Athlet unter russischer Flagge starten dürfen. Am letzten Freitag bestätigte die IAAF die Sperre des russischen Leichtathletikverbandes, die seitens des IOC „vollständig respektiert“ werde, so heißt es. Selbstredend lösten diese Meldungen verschiedenartige Reaktionen und Meinungsäußerungen in der Sportwelt aus. Der DLV-Präsident Clemens Prokop etwa meint: „Das kann nur der Anfang und darf nicht der Endpunkt für einen weltweiten Kampf gegen Doping sein.“ Der Jurist regt zudem an, „über einen Gesamtausschluss Russlands nachzudenken“. Jelena Issinbajewa sieht hingegen in der Bestätigung des Ausschlusses einen „Verstoß gegen die Menschenrechte“. Selbst der Präsident der Russischen Föderation, Vladimir Putin, meldete sich zu Wort: „Wenn ein Familienmitglied eine Straftat begeht, ist es dann etwa gerecht, die ganze Familie zu bestrafen?“, fragte er und antworte zugleich: „Nein, das gibt es nirgendwo.“
Es ist nachvollziehbar, dass die Frage, ob die harte Sanktion gegen den russischen Leichtathletikverband angemessen ist, aus sportlich-moralischer Sicht gespaltene Meinungsbilder auslöst. Aus juristischer Sicht müsste sich indes ein eindeutiges Bild abzeichnen, so will man meinen. In naher Zukunft werden verschiedene Institutionen darüber zu befinden haben, denn es bahnt sich nun eine Lawine sportrechtlicher Prozesse an: Issinbajewa will vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen, der russische Leichtathletikverband wird die IAAF-Entscheidung wohl dem CAS zur Überprüfung vorlegen und Russland, so ein Sprecher Putins, plane ebenso die Betätigung juristischer Mittel. Es bleibt also spannend.
Die mit Spannung erwartete Entscheidung ist gefallen: Die Klage von Claudia Pechstein gegen den Internationalen Eisschnelllaufverband – ISU – ist durch den Bundesgerichtshof (BGH) für unzulässig erklärt worden (Az.: KZR 6/15). Der Klage steht nämlich die Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung entgegen. Damit haben wohl viele – wenn man sich die Medienresonanz der letzten Tage anschaut – nicht gerechnet. Pechstein wurde (bereits) vielmehr in einer Reihe von Athleten gesehen, die den Sport durch ihre rechtlichen Auseinandersetzungen in geradezu revolutionärer Art umgestaltet und geprägt hatten, wie zuletzt Bosman.
Der BGH kommt zum Ergebnis, dass die Athletenvereinbarung wirksam die Schiedsgerichtsbarkeit bis hin zum Internationalen Sportgerichtshof (CAS) festgeschrieben habe, an die sich Frau Pechstein gebunden fühlen müsse. Im Übrigen sei ihr der Weg zum schweizerischen Bundesgericht – einem ordentlichen Gericht wohl gemerkt – ebenfalls eröffnet, so sieht es nämlich die Athletenvereinbarung vor. Einen Anspruch auf eine Entscheidung vor einem ordentlichen deutschen Gericht stehe ihr wegen der Athletenvereinbarung nicht zu. Der BGH sieht im CAS ganz offensichtlich ein echtes Schiedsgericht, wie es die deutsche Zivilprozessordnung in den §§ 1025 ff. regelt.
Pechstein nimmt ihre Niederlage offenbar nicht hin; ihr Prozessbevollmächtigter, der Kollege Summerer wird zitiert mit den Worten, dass das „nicht das letzte Wort gewesen“ sei und eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht folge. Pechstein selbst wird u.a. bei Spiegel-Online mit den Worten zitiert, dass sie sich gefühlt habe wie vor dem CAS und: „Jeder Flüchtling, der in Deutschland einreist und registriert wird, genießt Rechtsschutz. Aber wir Sportler nicht.“ Ob dieser Vergleich angemessen ist oder nicht, mag jeder für sich beurteilen, er deutet jedoch an, wie enttäuscht Claudia Pechstein ist, die zuletzt noch gegenüber der FAZ erklärte hatte, dass sie „gar nichts erwarte“. Erwartungen bergen immer auch Enttäuschungen. Wie man sieht.