Ist eine Abkehr von der Nulltoleranz-Politik im Anti-Doping Kampf notwendig?

Seit einiger Zeit beschäftigt ein Dopingfall den Mountainbikesport. Manch einer mag die Augen verdrehen und vielleicht ein vorschnelles Urteil fällen – es geht schließlich um den Radsport. Der Radsport hat das Image, dopingverseucht zu sein – ähnlich wie das Gewichtheben.

Bei dem angesprochenen Dopingfall handelt es sich um den des Schweizer Mountainbiker Mathias Flückiger.
Dieser wurde am 18.08.2022 von Swiss Cycling provisorisch gesperrt. In einer Dopingprobe wurden geringste Mengen – 0,3 Nanogramm – der anabolen Substanz Zeranol gefunden. Diese Menge war so gering, dass diese Dopingprobe streng genommen nicht als positive Dopingprobe, sondern „nur“ als atypischer Befund gewertet wurde. Das Labor informierte daraufhin Swiss Sport Integrity (SSI), die zuständige Anti-Doping-Organisation in der Schweiz. Das Labor wies bereits hier darauf hin, dass es sich um eine Fleischkontamination handeln könnte. Die SSI zog jedoch andere Schlüsse. Ohne Flückiger die Möglichkeit zu geben, sich über eine sogenannte Stakeholder-Notice zu einer möglichen Kontamination zu äußern – wie es bei solch geringen Mengen üblich ist – sperrte ihn die SSI provisorisch.

Im Dezember hob eine Disziplinarkommission die provisorische Sperre vorerst auf und wies den Fall an die SSI zurück. Diese hat Flückiger im Februar angehört und wird nun weiter entscheiden. Sollte die SSI nach der weiteren Beweisaufnahme eine Kontamination nicht für wahrscheinlich halten, wird ein ordentliches Dopingverfahren eröffnet und Flückiger muss mit einer erneuten Sperre rechnen.

Flückiger konnte jedoch ein Zertifikat eines italienischen Metzgers vorlegen, bei dem er italienische Bresaola gekauft hatte. Darin bestätigt der Metzger, dass es sich in Wirklichkeit nicht um italienisches Fleisch handelte – die EU verbietet die Verfütterung von Wachstumshormonen -, sondern um brasilianisches Rindfleisch. Dennoch verkaufte er es unter dem Namen italienischer Bresaola. In Brasilien ist der Einsatz anaboler Substanzen in der Tierzucht weit verbreitet.

Wie in unserem Fall von Frau Schlittig, in dem wir seit nunmehr vier Monaten auf ein Urteil des CAS warten, sprechen wissenschaftliche Erkenntnisse gegen eine „normale“ positive Dopingprobe.
Wie in unserem Fall missachten die Anti-Doping-Behörden die ihnen auferlegten Regeln, schädigen durch provisorische Sperren nachhaltig den Ruf der Athleten und setzen diese einem enormen psychischen Druck aus.

Natürlich sind Sperren ein äußerst wichtiges Element im weltweiten Kampf gegen Doping. Man mag uns nicht falsch verstehen. Ihre konsequente Anwendung ist unerlässlich für einen sauberen Sport, den wir alle so sehr schätzen.
Es muss jedoch differenziert werden. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, Positiv und Negativ. Es gibt Grauzonen, die atypischen Fällen. Und diese Sachverhalte müssen rechtlich anerkannt werden, sonst wird es für Athleten weiterhin nahezu unmöglich sein, die Beweislast umzukehren und ihre Unschuld zu beweisen. Selbst wenn der Athlet alles tut, um sich zu schützen, gibt es im Falle einer Übertragung über die Haut oder einer Kontamination von Nahrungsmitteln selten eine Chance, die genaue Quelle der Substanz nachzuweisen. Gerade diese Fälle unterscheiden sich von den Fällen kontaminierter Nahrungsergänzungsmittel, da hier Nachkontrollen möglich sind und der Sportler durch die Einnahme geprüfter Nahrungsergänzungsmittel eine Kontamination praktisch ausschließen kann.
Bei der Übertragung über die Haut und bei kontaminierten Nahrungsmitteln ist eine solche nachträgliche Kontrolle ausgeschlossen.
Es ist an der Zeit, den Athleten eine faire Chance zu geben, sich zu verteidigen.

Severin Lask / Steffen Lask

Felix Sturm B-Probe (auch) positiv

Auch die B-Probe ist positiv. Felix Sturm war nach seinem Sieg im WM-Kampf gegen den Russen Tschudinow am 20.02.2016 positiv auf das Dopingmittel Stanozolol getestet worden. Nach dem Ergebnis der A-Probe hatte die Staatsanwaltschaft mit strafrechtlichen Ermittlungen gegen Felix Sturm begonnen. Grundlage der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln bildet das (neue) Anti-Doping-Gesetz, wonach auch gegen die Sportler direkt ermittelt werden kann, soweit konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für ein Dopingvergehen vorliegen. Die Staatsanwaltschaft sieht den Anfangsverdacht bestätigt und setzt die strafrechtlichen Ermittlungen fort. Sturm hatte seinen Titel im Zuge der Ermittlungen als WBA-Champion niedergelegt. Sturm ist der erste namhafte Athlet gegen den wegen des am 10.12.2015 in Kraft getretenen Anti-Doping-Gesetz tatsächlich ermittelt wird.

 

Strafrechtliche Ermittlungen gegen Felix Sturm

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Gegen den früheren Boxweltmeister Felix Sturm ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln. Das berichten Medien unter Berufung auf eine Bestätigung des zuständigen Oberstaatsanwalts Vollmert. Felix Sturm war im Februar 2016 nach seinem Sieg im WM-Revanche-Kampf gegen den Russen Fjodor Tschudinow positiv auf das Anabolikum Hydroxy-Stanozolol getestet worden. Die B-Probe ist angeblich noch nicht geöffnet, was sehr merkwürdig erscheint und kein gutes Licht auf den zuständigen Verband wirft.

Dem 37-Jährigen droht damit wegen des Inkrafttretens des Anti-Doping-Gesetzes im Dezember vergangenen Jahres eine strafrechtliche Verurteilung. Seit dem letzten Jahr ist Doping strafbar; auch der dopende Sportler macht sich ggf. strafbar. Das ist das Novum des Anti-Doping-Gesetzes.

Darüber hinaus ist offenbar der frühere Gegner Tschudinow gewillt, einen zivilrechtlichen Schadensersatzprozess gegen Felix Sturm anzustrengen wegen der entgangenen Verdienstmöglichkeiten, u.a. durch Titelkämpfe.

Bleibt abzuwarten, wie sich das Ermittlungsverfahren gestaltet und ob Felix Sturm als derjenige in die Sportrechtsgeschichte eingehen wird, der als erster eine strafrechtliche Verurteilung auf der Grundlage des Anti-Doping-Gesetzes kassiert.

ARD Dokumentation „Geheimsache Doping – Im Schattenreich der Leichtathletik“

Die ARD Dokumentation unter Federführung des Journalisten Hajo Seppelt hat Aufsehen erregt. Das war das Ziel und knüpft an eine frühere Dokumentation „Geheimsache Doping – Wie Russland seiner Sieger macht“ an. Seppelt rechtfertigt den Inhalt in einem Interview gegenüber der Westdeutschen Zeitung: „Die Situation würde sich leider schnell wieder beruhigen, wenn die Medien nicht weiter konsequent über das Thema berichten und Druck auf die Sportverbände ausüben.“

Das Ziel ist unterstützenswert, zweifelhaft das Vorgehen. Die Fakten: Anonym werden vertrauliche personenbezogene Daten auf rechtswidrige – möglicherweise strafbare – Weise übermittelt. Es wird mit auffälligen Blutwerten argumentiert, die Doping nahelegen, aber keinesfalls beweisen. Auch das ist äußerst problematisch, wie der Fall Claudia Pechstein zeigt. Seppelt spricht in dem vorgenannten Interview davon, dass Verbands-/Sportfunktionäre „über das Selbstbestimmungsrecht der Sportler“ reden, das es aber – seiner Meinung nach – nicht gäbe.

Den Eindruck, dass die Autoren des ARD-Berichts nicht ernsthaft die Selbstbestimmungsrechte der Sportler vor Augen hatten, kann man tatsächlich gewinnen, wenn man berücksichtigt, wie in dem Bericht mit sensiblen persönlichen Daten von Sportlern umgegangen wird. Dort werden nämlich in großem Stil Selbstbestimmungsrechte berührt, auch wenn die betroffenen – verdächtigten – Sportler nicht namentlich genannt werden. Aus diesem Grund gibt es zurecht Kritik von der WADA an der Veröffentlichung.

Die beiden im Bericht der ARD zitierten Wissenschaftler Michael Ashenden und Robin Parisotto bleiben auch in ihren nachträglichen Bekräftigungen/Rechtfertigungen erschreckend unsubstantiiert. Sie argumentieren mit Allgemeinplätzen und verallgemeinernd, ohne allzu konkret zu werden. In gewisser Hinsicht kann Verständnis entwickelt werden, wenn Sebastian Coe – IAAF Vize – von „Sensationalisierung“ spricht; auch mit Blick auf die bevorstehenden Weltmeisterschaften der Leichtathletik in Peking vom 22.08. bis 30.08.2015.

Nicht jedes Mittel heiligt den Zweck. So wie auch das vielfach geforderte Anti-Doping-Gesetz und die Strafbarkeit des sog. Selbstdopings das Problem – Doping – an sich nicht lösen werden.

Prof. Dr. Steffen Lask

Rechtsanwalt

Dopingvorwürfe gegen Mo-Farah-Trainer Alberto Salazar

Doping II

Alberto Salazar wird vorgeworfen, seinen Schützlingen zu Dopingkonsum geraten und verholfen zu haben. Der auf Kuba geborene US-Amerikaner soll unter anderem im Jahr 2002 den Olympia-Zweiten von London über 10 Kilometer Galen Rupp bewirtet haben. So berichtet BBC. Zu den Athleten, die Salazar betreut, gehört auch der Olympia-Sieger von London über 10 Kilometer Mohamed „Mo“ Farah. Seit der Zusammenarbeit mit Salazar hat Farah viele große Erfolge feiern können, mitunter Triumphe bei der WM 2013 über 10 und 5 Kilometer und bei der EM 2014 über 10 und 5 Kilometer. In London siegte er im Übrigen auch über die 5-Kilometer-Distanz.

Der britische Leichtathletik-Verband UKA ist zwar von der Unschuld Farahs überzeugt, will den Vorfall dennoch gründlich prüfen. Man werde eine „Gruppe von unabhängigen Experten bilden […], um das Leistungsmanagement und das Ausdauerprogramm von Mo Farah genauestens zu betrachten“. Der gebürtige Somalier bestreitet jegliche Verstrickung: „Ich habe keine verbotenen Substanzen genommen, und Alberto hat mir auch niemals vorgeschlagen, welche zu nehmen.“ Unterdessen sagte er seinen Start beim Diamond League Meeting in Birmingham ab: „Ich konnte mich nach dieser Woche nicht auf den Wettbewerb fokussieren. Ich fühle mich mental und körperlich ausgelaugt“, so der 32-jährige Brite.

Dennis Cukurov