Laut Medienberichten wurden heute auf Betreiben der Rusada zwei Leichtathleten, zwei Ringer, eine Gewichtheberin, eine Ruderin und der Viererbob-Olympiasieger von 2014, Dmitri Trunenkow, gesperrt. Bei Letzterem soll es sich um ein Vergehen aus dem Jahr 2016 handeln. Seine vierjährige Sperre, die rückwirkend vom 19.04.2016 an gelte, hat allerdings wenig Auswirkungen für Trunenkow, da dieser seine aktive Karriere bereits beendet hat. Alexander Subkow, erfolgreichster russischer Bobpilot und aktueller Leiter des russischen Bobverbandes, fuhr mit Trunenkow in Sotschi zu Gold und betonte im Hinblick auf die Sperre Trunenkows, dass die Maßnahme nichts mit den Olympischen Spielen im eigenen Land zu tun habe. Trunenkow selbst streitet die Vorwürfe vehement ab und bezeichnete den Vorfall als „eine der üblichen Provokationen gegen den ganzen russischen Sport“. Er erklärte weiterhin: „Dieses Präparat haben schon Sportler in den 80er Jahren eingenommen, und man müsste ein völliger Idiot sein, um es heute noch zu nehmen.“
Was zumindest auf den ersten Blick wie ein Frühjahrsputz im Winter aussieht, birgt in Wirklichkeit noch allerlei Unklarheiten. Zwar scheint die große Sportnation bemüht zu sein, sich seiner Dopingvergangenheit zu stellen, und zeigen zu wollen, dass nach den Dopingskandalen der letzten Zeit eine dopingfreie Zukunft angestrebt wird. Dies ist Russland und des Wettbewerbs willen, der gesamten Sportwelt zu wünschen. Jedoch bleibt noch sehr viel Arbeit, das beschmutzte Image wieder rein zu waschen. Ob dies überhaupt gelingen mag, ist abzuwarten.
Bei den Olympischen Spielen in Rio wird wohl kein russischer Athlet unter russischer Flagge starten dürfen. Am letzten Freitag bestätigte die IAAF die Sperre des russischen Leichtathletikverbandes, die seitens des IOC „vollständig respektiert“ werde, so heißt es. Selbstredend lösten diese Meldungen verschiedenartige Reaktionen und Meinungsäußerungen in der Sportwelt aus. Der DLV-Präsident Clemens Prokop etwa meint: „Das kann nur der Anfang und darf nicht der Endpunkt für einen weltweiten Kampf gegen Doping sein.“ Der Jurist regt zudem an, „über einen Gesamtausschluss Russlands nachzudenken“. Jelena Issinbajewa sieht hingegen in der Bestätigung des Ausschlusses einen „Verstoß gegen die Menschenrechte“. Selbst der Präsident der Russischen Föderation, Vladimir Putin, meldete sich zu Wort: „Wenn ein Familienmitglied eine Straftat begeht, ist es dann etwa gerecht, die ganze Familie zu bestrafen?“, fragte er und antworte zugleich: „Nein, das gibt es nirgendwo.“
Es ist nachvollziehbar, dass die Frage, ob die harte Sanktion gegen den russischen Leichtathletikverband angemessen ist, aus sportlich-moralischer Sicht gespaltene Meinungsbilder auslöst. Aus juristischer Sicht müsste sich indes ein eindeutiges Bild abzeichnen, so will man meinen. In naher Zukunft werden verschiedene Institutionen darüber zu befinden haben, denn es bahnt sich nun eine Lawine sportrechtlicher Prozesse an: Issinbajewa will vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen, der russische Leichtathletikverband wird die IAAF-Entscheidung wohl dem CAS zur Überprüfung vorlegen und Russland, so ein Sprecher Putins, plane ebenso die Betätigung juristischer Mittel. Es bleibt also spannend.
Mit Spannung wird die morgige Entscheidung des IAAF – des Internationalen Leichtathletik Verbandes – in Wien erwartet. Die 26 Councilmitglieder der IAAF werden darüber zu befinden haben, ob die Sperre gegen Russlands Leichtathletik aufgehoben und die Leichtathletikmannschaft der Russen in Rio zu den Olympischen Spielen an den Start gehen wird. Seit November vergangenen Jahres gibt es eine Suspendierung der Russen wegen anhaltender und wiederholter Dopingsverstöße. Wir hatten darüber berichtet. In Wien wird nunmehr unter dem Vorsitz von Sebastian Coe darüber entschieden, ob eine der größten Sportnationen in einer der prestigeträchtigsten Sportarten von den Olympischen Sommerspielen ausgeschlossen wird. Russland hatte nach der Suspendierung reagiert. Aber ob das reicht? Grundlage der Entscheidungsfindung der IAAF soll ein Bericht einer dafür eingesetzten Arbeitsgruppe sein, die die Reformen in Russland nach dem Offenbarwerden des umfassenden Dopings bewertet hat.
Das IAAF-Council hat grundsätzlich nach den Statuten die rechtliche Möglichkeit, einen Mitgliedsverband wegen (fortgesetzten) Verstoßes gegen Dopingbestimmungen zu sperren. Einen vergleichbaren Sachverhalt gibt es bereits. Der bulgarische Gewichtheber Verband ist vom Internationalen Gewichtheber Verband (IWF) wegen wiederholter/zahlreicher Verstöße gegen die Anti-Doping-Bestimmungen von den Olympischen Spielen ausgeschlossen worden. Der bulgarische Verband hatte sich im Ergebnis erfolglos gegen die Entscheidung an den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) gewandt. Dieser bestätigte vielmehr die Suspendierung.
Wie wird es der russischen Leichtathletik ergehen?
Der ehemalige Weltmeister von 1999 im Dreisprung Charles Friedek gewinnt vor Gericht gegen den DOSB. Und das zu Recht!
Das hat folgenden Hintergrund: Friedek war vom DOSB für die Olympischen Spiele in Peking 2008 nicht nominiert worden. Zwischen ihm, dem DOSB und dem DLV bestand Streit darüber, ob er – Friedek – die sogenannte B-Norm erfüllt hatte, nämlich zwei Sprünge über die geforderten 17 m. Friedek war der Auffassung, er habe die B-Norm erfüllt, weil er bei einem Wettkampf seinerzeit in Wesel im Juni 2008 zwei Sprünge über 17 m (Vorkampf 17,00 m und Endkampf 17,04 m) absolviert hatte. Der DLV und später der DOSB waren der Auffassung, die beiden 17 m Sprünge müssten in zwei verschiedenen Wettkämpfen absolviert werden.
Friedek hatte 2008 versucht, sich den Weg zu seinen letzten Spielen zu erstreiten. Das Deutsche Sportschiedsgericht entschied am 19.07.2008 zunächst und verpflichtete den DLV, der zuvor einen Nominierungsvorschlag an den DOSB abgelehnt hatte, Charles Friedek für eine Nominierung gegenüber dem DOSB vorzuschlagen. Der DLV schlug vor, aber der DOSB lehnte eine Nominierung ab. Friedek versuchte über die ordenetliche Gerichtsbarkeit – beim Landgericht Frankfurt/M. und beim Oberlandesgericht Frankfurt/M. – mit einer einstweiligen Verfügung, die Zulassung zu Olympia 2008 im Dreisprung zu erreichen. Letztlich ohne Erfolg. Er fuhr nicht nach Peking.
Friedek hat schließlich eine Klage auf Schadensersatz gegen den DOSB erhoben, welcher das Landgericht Frankfurt/M. in der ersten Instanz 2011 stattgegeben hatte. Das Landgericht hatte ihm einen erheblichen Schadensersatzanspruch zuerkannt. Vollmundig ging der DOSB in die Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) und kommentierte seinerzeit das dortige Obsiegen mit einer gewissen Genugtung. Das war im Dezember 2013.
Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf die Revision des heutigen Trainers – Friedek – das Berufungsurteil des OLG aufgehoben und den Streit an das Landgericht Frankfurt/M. zurückverwiesen. Dem Grunde nach – so der BGH – steht Friedek wegen der rechtswidrigen Nichtnominierung ein Schadensersatz zu. Lediglich über die Höhe müsse das Landgericht noch entscheiden. Die BGH-Richter gehen in der Nachbetrachtung ebenso wie Charles Friedek davon aus, dass Friedek seinerzeit die B-Norm erfüllt habe und deshalb einen Anspruch darauf hatte, nominiert zu werden.
Prof. Dr. Steffen Lask
Bei der Leichtathletik-WM in Peking stehen Medienberichten zufolge die 400-Meter-Läuferin Joyce Zakary und die Hürdenläuferin Koki Manunga unter Dopingverdacht. Zakary war im Vorlauf in 50,71 Sekunden Landesrekord über 400 m gelaufen. Zum Halbfinale ist sie aber ohne Angabe von Gründen nicht angetreten. Manunga war bereits in der ersten Runde über 400 m Hürden klar ausgeschieden. Beide Athletinnen seien positiv auf ein maskierendes Mittel einer bisher unbekannten Dopingsubstanz getestet worden.
Bereits im Vorfeld der WM war der kenianische Leichtathletikverband Athletics Kenya wiederholt schweren Dopingvorwürfen ausgesetzt. In den vergangenen Jahren sind eine ganze Reihe von Athleten aus Kenia wegen Dopings gesperrt worden. Die neuen Vorfälle könnten die bisher überragenden Leistungen der Kenianer bei der WM überschatten. Nach vier Wettkampftagen führt Kenia im Medaillenspiegel mit insgesamt neun Medaillen deutlich.
Fabian Scharpf / Prof. Dr. Steffen Lask