Thilo Kehrer und das Arbeitsrecht
(23.07.2015)
Ähnlich wie im Fall der Nachwuchshoffnung Sinan Kurt, die letztlich gegen eine Ablösesumme von Borussia Mönchengladbach zum FC Bayern wechselte, gestaltet sich die derzeitige Debatte um Thilo Kehrer. Der 18-jährige Nachwuchsnationalspieler schoss die Schalker A-Jugendmannschaft vor einigen Monaten zur Deutschen Meisterschaft, bleibt nunmehr allerdings dem Training der Gelsenkirchener fern. Vielmehr scheint er bereits einen Vertrag bei Inter Mailand unterzeichnet zu haben – trotz eines bestehenden (oder doch nicht bestehenden) Vertrages bei den Königsblauen.
Medienberichten zufolge wurde zwischen Kehrer und Schalke 04 ursprünglich ein 3-Jahres-Vertrag (plus Verlängerungsoption um ein Jahr) geschlossen. Im Frühjahr diesen Jahres soll das junge Talent einen Profivertrag ausgeschlagen haben. Daraufhin zog der Bundesligist seine ihm vertraglich zustehende Option. „Wir sind der Ansicht, dass er bei uns einen rechtsgültigen Vertrag hat, und den gilt es zu erfüllen“, so der Schalke-Manager Horst Heldt. Ist aber Kehrer damit tatsächlich bis zum Jahr 2016 an seinen Arbeitgeber gebunden?
Nach § 22 Nr. 7.1 der DFB-Spielordnung gilt: „Mit A- und B-Junioren im Leistungsbereich der Leistungszentren der Lizenzligen, der 3. Liga, der 4. Spielklassenebene oder der Junioren-Bundesliga können Förderverträge abgeschlossen werden. Diese orientieren sich an dem Mustervertrag („3+2 Modell“).“ Insoweit wären Verträge mit Optionen, die die Bindungsdauer über drei Jahre hinaus ermöglichen, zulässig. Nach § 18 Nr. 2 S. 4, 5 des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern beträgt indes die maximale Laufzeit eines Vertrags für Spieler unter 18 Jahren drei Jahre; „Klauseln mit längerer Laufzeit werden nicht anerkannt“. Da sich der DFB in seiner Satzung den Bestimmungen des Weltverbandes unterworfen hat, dürfte das vorgenannte „3+2 Modell“ (drei Jahre Vertragslaufzeit plus maximal 2-Jahres-Option) jedenfalls nicht durchsetzbar sein. Die FIFA-Statuten sind jedoch genauso wie die DFB-Regularien keine Gesetze. Zwar sind sie eine Ausprägung der Vereinsautonomie, die im Grundgesetz verankert ist; sie können allerdings kein Sonderprivatrecht begründen. Es verbleibt lediglich die Möglichkeit für die Zivilgerichte, bestimmte typische Wertungen des Sports in die rechtliche Beurteilung einfließen zu lassen. Dagegen können verbandsrechtliche Entscheidungen und ggf. Sanktionen auf die Verbandsregeln gestützt werden.
Mithin ist für die Beurteilung der Frage, ob der Spielervertrag des Thilo Kehrer beim FC Schalke weiterhin Bestand hat, entscheidend, ob staatliches Recht einen solchen Vertrag (plus Optionsziehung) erlaubt. Hierfür ist sicherlich eine spezifische Betrachtung des Vertrages unverzichtbar. Wichtig ist mitunter, ob ein einseitiges oder beidseitiges Optionsrecht vereinbart wurde. Allein der Umstand, dass ein Minderjähriger länger als drei Jahre gebunden wurde, dürfte allerdings – unterstellt, Kehrer wurde bei Vertragsschluss ordnungsgemäß vertreten – nicht ausreichen, um etwa ein Kündigungsrecht oder gar eine Sittenwidrigkeit zu begründen. Zweifelhaft ist lediglich die Bindungswirkung eines Dauerschuldverhältnisses im Hinblick darauf, ob ein weiteres Festhalten am Vertrag – den der Minderjährige nur durch Vertreter schließen konnte – für den sodann Volljährigen rechtlich zumutbar ist. Nach diesseitiger Ansicht dürfte dennoch Heldt Recht haben; Kehrer bleibt bis 2016 gebunden: Es gilt der Grundsatz pacta sunt servanda.
Dennis Cukurov / Prof. Dr. Steffen Lask
Autor:
Steffen Lask
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Bundesliga, DFB, FIFA, Heldt, Jugend, Minderjährigenrecht, Nachwuchs, Profifußball, Schalke, Sportrecht