Hospitality – Selbstverpflichtung und Memorandum (DFL und DFB)
(13.10.2011)
Die Gründer der „Initiative Sportstandort Deutschland“, der Deutsche Olympische Sportbund, das Bundesministerium des Inneren und die Sponsorenvereinigung S20 haben kürzlich einen Leitfaden zum Thema Hospitility und Strafrecht erarbeitet ebenso wie die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH und der Deutsche Fußball-Bund, der den beteiligten Wirtschaftskreisen angesichts der bestehenden Rechtslage Richtschnur für das eigene Handeln rund um die Einladungspraxis von Sponsoren bei Sportveranstaltungen sein soll. Die Leitfäden richten sich in erster Linie an die Unternehmen, insbesondere an die Compliance- und Rechtsabteilungen und wollen „typische Einladungskonstellationen“ aufgreifen und hierzu Handlungshilfen anbieten, „strafrechtliche Risiken zu erkennen, einzuordnen und soweit wie möglich auszuschalten“.
Den Ausgangspunkt – wie für viele öffentliche Diskussionen u. a. die Sachverständigenanhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages Ende vergangenen Jahres – bildet eine nicht mehr ganz aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.10.2008.
Der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns EnBW Utz Claassen hatte an Minister des Landes Baden-Württemberg und einen beamteten Staatssekretär im Bundesumweltministerium Gutscheine für Logenplätze bei einem WM-Spiel in Stuttgart oder Berlin versandt. Die Minister und Beamten waren aufgrund ihrer Resortzuständigkeit mit Angelegenheiten befasst, die für die Geschäftspolitik und den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens EnBW von erheblicher Bedeutung waren. Die Minister des Landes Baden-Württemberg hatten anderweitig freien Zutritt zu den Spielen. Der Ministerrat des Landes Baden-Württemberg hatte zuvor beschlossen, Ehrenkarten für die Veranstaltungen im Rahmen der Fußball-WM 2006, deren Besuch zu Repräsentationspflichten des jeweiligen Regierungsmitglieds gehöre, nicht als Geschenke zu bewerten und nicht als genehmigungspflichtig anzusehen. Das Landgericht (LG) hatte Claassen freigesprochen. Das LG hatte den Freispruch darauf gestützt, dass die Eintrittskarten nicht als Vorteil im strafrechtlichen Sinne gewertet werden könnten. Im Übrigen hätte der Ministerrat des Landes Baden-Württemberg zuvor einen Beschluss gefasst und dieser sei als Genehmigung zu werten, der zu einer Straflosigkeit führe, vor. Den Freispruch stützte das LG weiter darauf, dass es sich nicht von einer erforderlichen Unrechtsvereinbarung hat überzeugen können.
Der BGH hat klargestellt, dass Eintrittskarten für Fußballweltmeisterschaftsspiele Vorteile im strafrechtlichen Sinne seien. Ein Vorteil ist jede Leistung, die den Amtsträger materiell oder immateriell in seiner wirtschaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage objektiv besser stellt und auf die er keinen Anspruch hat. Hiervon erfasst sind nicht nur Geldzahlungen, sondern auch Eintrittskarten für grundsätzlich entgeltpflichtige Veranstaltungen. Eintrittskarten und Einladungen haben einen Vermögenswert. Daran ändert der Umstand nichts, dass die von Claassen bedachten Mitglieder der Landesregierung grundsätzlich freien Eintritt hatten. Die den Regierungsmitgliedern angebotenen Vorteile waren nicht identisch mit denen, die ihnen als Regierungsmitgliedern zur Verfügung gestanden hätten. Die EnBW-Loge mit Bewirtung war eine andere als die Landesloge ohne eben diese.
Als fehlerhaft bezeichnet der BGH die Annahme des LG, ein Vorteil läge bereits deshalb nicht vor, weil die Bedachten lediglich die Eintrittskarten zur Ausübung ihrer Repräsentationspflichten erhalten hätten. Die Amtsträger hätten jedenfalls nicht nur ihre dienstlichen Pflichten erfüllen sollen, sondern die beabsichtigten Zuwendungen dienten vielmehr gerade der Befriedigung persönlicher Interessen, die mit dem unmittelbaren Erleben eines Fußballweltmeisterschaftsspiels im Stadion verbunden seien.
Schließlich aber bestätigt der BGH das LG in seinem Freispruch, dass eine für die Strafbarkeit erforderliche Unrechtsvereinbarung nicht nachzuweisen sei. Der BGH unterstreicht die Unrechtsvereinbarung als das Kernstück der Bestechungsdelikte. Er verweist darauf, dass durch Gesetzesänderungen eine weitreichende Lockerung der Unrechtsvereinbarung in die Korruptionsbekämpfungsdelikte Einzug gehalten hat. Von der Strafbarkeit erfasst werden sollten nach dem Willen des Gesetzgebers Sachverhalte, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft würden und darüber hinaus die Sachverhalte, die unter „allgemeine Klimapflege“ subsumiert würden.
Das sei Claassen gerade nicht nachzuweisen, weshalb er freizusprechen sei.
Die Entscheidung des BGH zum Fall Claassen macht deutlich, mit welchen Unwägbarkeiten angesichts der bestehenden Gesetzeslage die Normadressaten zu „kämpfen“ haben. Die „im Randbereich kaum trennscharfen Konturen“ sind nicht erst seit dem vorstehenden Urteil bekannt. Die Konturlosigkeit, offensichtlich durch den Gesetzgeber gewollt, ist häufig kritisiert und durch Tatgerichte mit Augenmaß vielfach einschränkend aufgefangen worden. Die Einschränkung erfolgt durch das Hineinlesen des Begriffs der Sozialadäquanz, dieser ist aber ebenso konturenlos.
Was ist sozialadäquat? Was entspricht gesellschaftlichen Gepflogenheiten? Die Sozialadäquanz unterliegt einem ständigen gesellschaftlichen Wandel und ist bereits aus diesem Grund nicht trennscharf, was letztlich dazu führt, dass es als Element der Restriktion eines konturlosen Tatbestandsmerkmals wenig geeignet erscheint und sich eine Bezugnahme wegen der Undifferenziertheit des Begriffs – Sozialadäquanz – zu verbieten scheint.
Weitere Konkretisierungsversuche – wie auch die eingangs angesprochenen Verhaltens-Leitlinien – die durch die BGH-Entscheidung offensichtlich wegen wegen der gesellschaftlichen Stellung des Herrn Claassen ins Bewusstsein vieler gerückt wurden, ranken sich um eine Gesamtschau relevanter Indizien wie z.B. die Stellung des Amtsträgers und seiner Dienstpflichten in der Beziehung zum Vorteilsgeber oder die Art und Vorgehensweise bei dem Angebot sowie die Art, den Wert, die Höhe und die Zahl solcher Vorteile oder der zeitliche Abstand zwischen Zuwendung und Dienstausübung oder die soziale Beziehung zwischen dem Geber und dem Nehmer oder die Frage, ob die Handlung transparent oder heimlich erfolgte.
Aber auch eine Gesamtwürdigung dieser Merkmale kann letztlich angesichts der Vielzahl der Merkmale und der Unbestimmtheit jedes einzelnen Kriteriums nicht so recht überzeugen und es bleibt für die betroffenen Normadressaten im Einzelfall schwer einzuschätzen, ob sie sich strafbar gemacht haben oder nicht.
Und dass das ins mediale Bewusstsein geraten ist, darin liegt wohl die besondere Bedeutung der Claassen-Entscheidung.
Wenn die Korruptionsvorschriften kaum abgrenzbare Konturen aufweisen, die ihrerseits ausgefüllt, konkretisiert und eingeschränkt werden müssen und zwar wiederum durch konturlose Kriterien, die als unbestimmte Rechtsbegriffe einem stetigen Wandel unterworfen sind, dann liegt die Annahme nahe, dass das verfassungsgemäße Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG tangiert ist, wenn nicht gar verletzt erscheint.
Wo hört gewollte straflose Kontaktpflege auf und wo beginnt strafbare allgemeine Klimapflege?
Für den Fall Claassen gewinnt der rechtlich orientierte Leser den Eindruck, als habe eine Verurteilung des Vorstandsvorsitzenden, wohl aber die Aufhebung des landgerichtlichen Freispruchs, am seidenen Faden gehangen.
Die eingangs genannten Leitfäden sind begrüßenswert, da der Gesetzgeber (gewollt?) nicht wirklich reagiert. Sie geben entscheidende Handlungsempfehlungen, die – so sie Beachtung finden – die strafrechtlichen Risiken deutlich minimieren. Die Unternehmen, die den Sport unterstützen wollen und hierzu einladen, müssen sich schützen, wozu die vorgenannten Initiativen einen gewichtigen Beitrag leisten. Ob Sie endgültige Sicherheit bieten, bleibt zu bezweifeln, insoweit die nachvollziehbaren Empfehlungen der Initiatoren, im Einzel- und Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen.
Das Merkmal der Transparenz ist nicht deutlich genug hervorzuheben und zu unterstreichen. Offenheit ist der Lösungsansatz. Transparenz ist ein gewichtiges Merkmal und entwickelt zu einer Unternehmenskultur, hilft es, die nicht gänzlich zu beseitigenden strafrechtlichen Risiken zu begrenzen.
Dr. Steffen Lask
Rechtsanwalt
Autor:
Steffen Lask
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