Ana Maria Bărbosu – Bronzemedaillengewinnerin der Olympischen Spiele in Paris im Bodenturnen der Frauen
Die Rumänin Ana Maria Bărbosu ist nun doch olympische Bronzemedaillengewinnerin im Bodenturnen, wie der Court of Arbitration for Sport (CAS), der Internationale Sportgerichtshof, am gestrigen Tage, dem 14. August 2024, entschied.
Am 05. August 2024 fand das Finale der Frauen im Bodenturnen statt, wobei Bărbosu eine Gesamtwertung von 13,700 Punkten erzielte und damit den dritten Platz belegte. Die US-Amerikanerin Jordan Chiles erreichte lediglich 13,666 Punkte und damit den fünften Platz, wogegen sie direkt im Anschluss an die Mitteilung der Ergebnisse mündlich Protest gegen die Wertung einlegte. Die Jury hob ihre Punktzahl daraufhin auf 13,766 an, wodurch sich Chiles auf den dritten Platz verbesserte und die Bronzemedaille überreicht bekam. Gegen die neue Wertung legte wiederum der rumänische Verband Einspruch beim CAS ein, da der Protest der US-Amerikaner aus seiner Sicht zu spät erfolgt sei.
Diesem Einspruch gab der CAS nun statt. Im Rahmen seiner Entscheidung berief er sich der auf Art. 8.5 des Technischen Regelwerks 2024 der Fédération Internationale de Gymnastique (FIG), in welchem es heißt: „Für den letzten Turner oder die letzte Gruppe eines Durchgangs beträgt die Frist [für den mündlichen Protest] eine Minute nach der Anzeige des Ergebnisses auf der Anzeigetafel. Die Person, die für die Entgegennahme des mündlichen Protests bestimmt ist, muss den Zeitpunkt des Protests schriftlich oder elektronisch festhalten. […] Verspätete Proteste werden zurückgewiesen.“
Da Chiles die letzte Teilnehmerin des Finals gewesen sei, habe auf sie die Eine-Minuten-Regel Anwendung gefunden, so der Gerichtshof. Der mündliche Protest sei – zwischen den Parteien unstreitig – jedoch erst nach einer Minute und vier Sekunden eingelegt worden. Die Regel sei auch nicht, wie die Einspruchsgegnerin, die FIG, vortrug, flexibel zu handhaben und in Ausnahmefällen ausdehnbar. Nachweise hierfür oder eine entsprechende Praxis habe sie nicht darlegen können. Das Gericht stellt daher fest: „Die Auswirkung der Nichteinhaltung der Eine-Minuten-Regel aus Art. 8.5 ist klar und eindeutig, nämlich die ‚Verspätete[n] Proteste werden zurückgewiesen.‘“ Die nachträgliche Punktekorrektur sei somit, rückgängig zu machen.
Der US-Amerikanische Turnverband teilte in Reaktion auf das Urteil mit: „Wir sind am Boden zerstört von der Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs in Bezug auf die Übung am Boden“. Er legte zudem neues Videomaterial vor, wonach ein erster Protest bereits nach 47 Sekunden und ein zweiter nach 55 Sekunden erfolgt sei. Berücksichtigung vor dem CAS finden diese allerdings nicht mehr. Eine erneute Überprüfung der Entscheidung durch den CAS ist nach dessen Regularien ausgeschlossen.
Ob der US-Turnverband weitere Maßnahmen ergreifen wird, bleibt abzuwarten. Es bestünde jedenfalls die Möglichkeit, die Entscheidung des CAS vor dem Schweizer Bundesgericht anzufechten. Dies ist indes nur unter engen Voraussetzungen möglich. Zu den Anfechtungsgründen zählt etwa, dass der CAS überhaupt nicht zuständig war, die an der Entscheidung beteiligten CAS-Schiedsrichter vorschriftswidrig zusammengesetzt waren, der CAS den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien und des rechtlichen Gehörs missachtet hat oder die Entscheidung mit wesentlichen Grundprinzipien des Rechts schlicht unvereinbar ist. Daneben ist eine Anfechtung der Entscheidung möglich, wenn eine Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Die Erfolgsaussichten einer solchen Anfechtung sind jedoch erfahrungsgemäß äußerst gering. Bisweilen wurden nur knapp mehr als zehn von über 100 angefochtenen CAS-Entscheidungen vom Schweizer Bundesgericht aufgehoben.
Jannik Fritz / Steffen Lask