Hohe Beitragsnachforderung wegen Schwarzarbeit auf dem Bau
Bauarbeiter, die nur ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und kein Unternehmerrisiko tragen, sind abhängig beschäftigt. Die beauftragende Baufirma kann sich nicht auf einen Nachunternehmervertrag berufen, wenn dieser lediglich die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern sollte, um der gesetzlichen Sozialabgabepflichten zu entgehen.
Dies entschied das Hessische Landessozialgericht am 26.01.2023 (Az. L 8 BA 51/20; Pressemitteilung vom 07.03.2023)
Rentenversicherung fordert 100.000 € Beitragsnachzahlung
Eine Baufirma aus Kassel beauftragte drei ungarische Männer, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet hatten, mit Trockenbauarbeiten. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Bauarbeiter nicht bezahlt.
Das Hauptzollamt ermittelte und die Deutsche Rentenversicherung führte eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte sie fest, dass die drei Männer als sogenannte Scheinselbstständige abhängig beschäftigt gewesen seien und forderte von der Baufirma Sozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschläge in Höhe von rund 100.000 €.
Der Inhaber der Baufirma widersprach und verwies auf einen abgeschlossenen Nachunternehmervertrag. Die Bauarbeiter, die vor allem Säulen mit Brennschutzplatten verkleideten, hätten pro verkleideter Säule einen Festbetrag von 10 € bzw. 11 € erhalten. Bei ca. 12 Minuten Arbeitszeit pro Säule hätte der Stundenlohn bei rund 45 € gelegen. Zudem hätten sie einen eigenen Firmenbus sowie eigene Arbeitsmaterialien eingesetzt und seien auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Daher sei von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen.
Nachunternehmervertrag diente lediglich der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse
Die Richterinnen und Richter beider Instanzen gaben jedoch der Rentenversicherung Recht. Abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung habe vorgelegen. Der Inhaber der Baufirma habe die drei Bauarbeiter zumeist in seinem Bus zu den Baustellen gefahren. Dort hätten sie die ihnen zugewiesenen Säulen mit Brennschutzplatten versehen müssen. Material und Werkzeug sei ihnen gestellt worden, ein eigener Firmenbus habe ihnen nicht zur Verfügung gestanden. Die kaum Deutsch sprechenden Bauarbeiter hätten lediglich ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und seien in den Betrieb der Baufirma eingegliedert gewesen. Ein Unternehmerrisiko hätten sie nicht getragen. Bei einer Arbeitszeit zwischen 20 und 60 Minuten pro Säule und dem vereinbarten Festpreis hätten sie ein selbstständiges Unternehmen nicht führen können.
Der Inhaber der Baufirma habe auch von der Sozialversicherungspflicht der Bauarbeiter ausgehen müssen. Ihm sei bewusst gewesen, dass die drei Bauarbeiter als sogenannte Scheinselbstständige für ihn tätig gewesen seien. Der mit ihnen geschlossene Nachunternehmervertrag habe lediglich der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse und der Umgehung der gesetzlichen Sozialabgabenpflicht gedient.
Auch die erhobenen Säumniszuschläge (rund 20.000 €) seien nicht zu beanstanden. Insbesondere könne sich der Inhaber der Baufirma nicht auf unverschuldete Unkenntnis berufen, da von dieser im Falle der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung von vornherein nicht ausgegangen werden könne.Die Revision wurde nicht zugelassen.
Fazit
Dieser Fall ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Selbstständigen ausnahmslos die tatsächlichen Verhältnisse entscheiden. Zwar sind vertragliche Regelungen immer der erste Anhaltspunkt einer Beurteilung, stehen die schriftlichen Vereinbarungen allerdings wie hier in einem Kontrast zu den wirklichen Umständen, gehen letztere vor. Daher nützt Unternehmern der beste Vertrag nichts, wenn dieser nicht auch in der Praxis gelebt wird. Damit hier keine Missverhältnisse auftreten, ist neben der Prüfung der Verträge eine Abstimmung auf die praktische Umsetzung unerlässlich.
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