Notfalldienst-Vertretung und Blutprobenentnahme: Ärztinnen und Ärzten droht Steuerpflicht
Ärztinnen und Ärzte müssen für ihre Einnahmen für Vertretungstätigkeiten im ärztlichen Notfalldienst und für die Entnahme von Blutproben für die Polizei Umsatzsteuer zahlen. Das hat das Finanzgericht Münster entschieden.
Hintergrund
Heilbehandlungen von Ärzten sind in Deutschland von der Umsatzsteuer befreit, wenn ihre Leistungen der Diagnose und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Die Heilbehandlung muss dabei immer einen therapeutischen Zweck verfolgen. Das ist im Umsatzsteuergesetz, UStG, geregelt (Paragraph 4 Nr. 14 Buchst. a).
Sachverhalt
Ein Allgemeinmediziner, der keine eigene Praxis betrieb, schloss eine Vereinbarung mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) über die Vertretung im hausärztlichen ambulanten Notfalldienst. Er rechnete seine Notdiensttätigkeit entweder mit einer Privatliquidation oder über die KV ab. Von dem von ihm jeweils vertretenen Arzt erhielt er für die Notdienstvertretung einen Stundenlohn zwischen 20 und 40 Euro. Daneben führte er für die Polizeibehörde Blutentnahmen durch und fertigte dazu einen einseitigen ärztlichen Bericht an. Die Blutentnahmen rechnete er gegenüber der Landeskasse ab. Für die Einkünfte verlangte er keine Umsatzsteuer, da er von einer Heilbehandlung ausging.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Ansicht, dass die Vertretung im ärztlichen Notdienst und die Durchführung der Blutentnahmen umsatzsteuerpflichtig seien.
Urteil des Finanzgerichts Münster
Die Richter des Finanzgerichts (FG) Münster entschieden in ihrem Urteil vom 9. Mai 2023, dass die Vertretung im ärztlichen Notdienst und die Entnahme von Blutproben für die Polizeibehörden keine steuerfreien Heilbehandlungsleistungen seien (15 K 1953/20 U). Der Arzt erhält das Geld nur für den Dienst der Vertretung, aber nicht für konkrete Heilbehandlungsleistung. Die Vertretungsleistung gegenüber dem Vertragsarzt selbst ist aber keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung an einem Patienten.
Auch die Entnahme von Blutproben für die Polizeibehörde sei keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung. Die Blutentnahmen erfolgen auf polizeiliche Anordnung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren. Im Vordergrund stehe die Beweiserhebung und die Erstattung eines Gutachtens, nicht aber der Schutz der menschlichen Gesundheit.
Fazit
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen (XI R 24/23). Seither ist das Verfahren anhängig und es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich der BFH insbesondere mit Blick auf das aktuelle Geschehen rund um die Poolärzte platziert.
Das Bundessozialgericht entschied zuletzt, dass Poolärzte, die Vertretungen im ärztlichen Notdienst übernehmen, in der Regel nicht selbstständig tätig sind. Vielmehr sind sie abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig. Sozialversicherungspflicht und Umsatzsteuerpflicht schließen sich aber gegenseitig aus. Ein Poolarzt kann nur dann Umsatzsteuer in Rechnung stellen, wenn er als selbstständiger Unternehmer gilt und damit auch nicht sozialversicherungspflichtig ist.
Allerdings könnte erleichternd hinzukommen, dass es in dem Fall des FG Münster zwei separate Leistungsbeziehungen gibt: Zum einen führte der Allgemeinmediziner gegenüber den Patienten eine Heilbehandlung aus, die unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Einstufung sowieso umsatzsteuerfrei ist. Zum anderen erbrachte er gegenüber dem Arzt, dessen Notdienst er gegen ein Stundenhonorar übernommen hat, eine selbstständige sonstige Leistung. „Da er nicht in die Betriebs- und Praxisorganisation des Vertretenen eingebunden ist, dürfte für den reinen Verkauf der Vertretertätigkeit keine Sozialversicherungspflicht greifen. Folglich wäre eine Umsatzsteuerpflicht auf diesen separaten Umsatz wohl auch als unproblematisch anzusehen“, sagt Ecovis-Steuerberater Michael Sabisch in Volkach.