Gesundheits-Apps: Die Besteuerung für App-Betreiber
Im deutschen Gesundheitswesen sind digitale Anwendungen noch nicht flächendeckend verbreitet. Dabei können digitale Strategien – gerade in Krisenzeiten – helfen, die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten zu unterstützen. Was App-Betreiber bei digitalen Gesundheits-Apps umsatzsteuerlich beachten müssen, erklärt Steuerberaterin Annette Bettker bei Ecovis in Rostock.
Das deutsche Gesundheitssystem ist weder auf die Folgen des Klimawandels noch auf Pandemien ausreichend vorbereitet. „Unser Gesundheitssystem ist sehr komplex und fragil. Ein nicht besonders reaktionsschnelles und wenig anpassungsfähiges Schönwettersystem“, heißt es auch in dem mehr als 600 Seiten starken Expertenbericht des Sachverständigenrats vom 24. Januar 2023 (Drucksache 20/5500). Die Corona-Pandemie, Naturkatastrophen wie Hochwasser und Hitzewellen als Folgen des Klimawandels oder unterbrochene Lieferketten, sind neue Herausforderungen, denen sich das Gesundheitssystem stellen muss. Doch wie lässt sich dieses aufstellen, dass es auf zukünftige Herausforderungen effektiver und effizienter reagieren kann?
Lösungsstrategie: Digitale Gesundheitsanwendungen
Eine Lösungsstrategie, die dazu beitragen kann, Engpasslagen in der Akutversorgung zu entspannen, ist es, den pflegerischen Arbeitsaufwand durch Investitionen in digitale Technologien zu reduzieren. Gerade die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte oder andere Heilberufler die digitalen Möglichkeiten noch unzureichend nutzen. Grundsätzlich haben
- künstliche Intelligenz (KI),
- telemedizinische Angebote,
- digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und
- die elektronische Patientenakte (ePA)
das Potenzial, zu einer effizienteren Leistungserbringung beizutragen. So haben seit 2019 Patienten einen Versorgungsanspruch auf DiGA. Teilweise werden sie auch als Apps auf Rezept oder Gesundheits-Apps auf Rezept bezeichnet (Paragraph 33a SGB V).
DiGA: Genehmigung, Abrechnung und Vergütung
Ärzte sowie ärztliche und psychologische Psychotherapeuten können ihren Patienten eine DiGA auf Rezept verschreiben und mit der Krankenkasse abrechnen. Patienten können die App aber auch direkt bei der Krankenkasse beantragen. Diese übernimmt die Kosten, wenn die DiGA zuvor vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und in das Verzeichnis erstattungsfähiger DiGA aufgenommen wurde.
Fällt für die Gesundheits-App Umsatzsteuer an?
Heilbehandlungen in der Humanmedizin, die ein Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker oder Physiotherapeut, eine Hebamme oder eine Person, die eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit erbringt, durchführt, sind von der Umsatzsteuer befreit. Damit knüpft das Umsatzsteuerrecht an zwei Voraussetzungen an:
- Es muss ein therapeutischer Zweck, also eine Heilbehandlung, und
- eine entsprechende Qualifikation der behandelnden Person
vorliegen.
Für beide Voraussetzungen ergeben sich für eine DiGA Probleme.
Problem 1 – der therapeutische Zweck: Zunächst muss die DiGA einen therapeutischen Zweck erfüllen. Hier hilft, dass eine DiGA das Prüfverfahren beim BfArM erfolgreich durchlaufen und ein Arzt sie verordnet haben muss. Dann erstattet die Krankenkasse dem Entwickler oder Betreiber der App die Kosten. Auf diese Weise lässt sich eine medizinische Indikation beziehungsweise der therapeutische Zweck zumindest bei Fällen einer Verordnung sicherstellen.
Problem 2 – die Qualifikation der behandelnden Person: Dieses durchaus größere Problem besteht bei der Frage, ob eine App selbst als ärztliche Leistung oder „Qualifikation“ gilt oder eher mit einem verschreibungspflichtigen Medikament vergleichbar ist. Letzteres wäre steuerpflichtig, da das Medikament selbst keine Heilbehandlung ist.
Die App könnte hingegen mit der klassischen Telemedizin vergleichbar sein. Das heißt, um die Nutzung der App umsatzsteuerfrei anbieten zu können, müssten die Betreiber einer DiGA die damit verbundene Leistung von einem Arzt oder wenigstens einer arztähnliche Person erbringen lassen. Im Sinne der Umsatzsteuerfreiheit der App wäre es sogar besser, wenn während der Nutzung der App eine kontinuierliche Interaktion zwischen Arzt und Patienten sichergestellt ist. Das Problem dabei: Ärzte sind zwar meist eng in den Entwicklungsprozess der App eingebunden, sie konzipieren Inhalte und stellen die Wirksamkeit der Anwendung sicher. Bei der tatsächlichen Anwendung durch die Patienten sind sie nicht mehr involviert. Denn die Patienten nutzen die App größtenteils in Eigenregie.
Patientinnen und Patienten sollen sich zwar für die Auswertung der Ergebnisse und bei auftretenden medizinischen Problemen zwingend an die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt wenden. Ansonsten arbeitet die App aber oft völlig selbstständig. Ein Algorithmus übernimmt dabei die Rolle einer Ärztin oder eines Arztes und kann so beispielsweise anhand der eingegebenen Daten ermitteln, welches Therapieverfahren am besten für den Patienten geeignet ist. Daher dürfte es in den meisten Fällen bereits daran scheitern, dass die App zwar dazu dient, Krankheiten zu erkennen und zu behandeln, aber nicht von einer zur Ausführung von umsatzsteuerfreien Heilbehandlungsleistungen befähigten Person ausgeführt wird.
Anders wäre es, wenn die App lediglich das Sprachrohr zwischen Patient und Arzt wäre. Das heißt, dass zum Beispiel im Hintergrund eine entsprechend qualifizierte Person die eingegebenen Daten im Einzelnen ausgewertet und patientenindividuelle Behandlungsempfehlungen gibt – und zusätzlich die Möglichkeit einer Interaktion besteht. Diese Argumente sind in der Gesamtbetrachtung wichtig, wenn App-Betreiber für eine DiGA die Umsatzsteuerbefreiung anstreben.
„Derzeit gibt es keine offizielle Stellungnahme seitens der Finanzverwaltung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu diesem Thema. Im Einzelfall sollten Betreiber im Vorfeld jede DiGA individuell prüfen lassen und das Finanzamt mit ins Boot holen, um zu besprechen, ob eine Befreiung der App-Erlöse von der Umsatzsteuer gerechtfertigt sein könnte“, empfiehlt Steuerberaterin Bettker.