Beanstandete und korrigierte Krankenhausabrechnung: Bundessozialgericht entscheidet zum Stichtag für Aufschlagszahlungen
Krankenhäuser müssen seit 2022 neben der Rückzahlung der Rechnungsdifferenz auch eine Aufschlagszahlung in Höhe von mindestens 300 Euro an die Krankenkassen zahlen. Das ist dann der Fall, wenn sie nach einer Abrechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst eine beanstandete Krankenhausabrechnung korrigieren und den Rechnungsbetrag mindern. Was für Fälle vor dem 1. Januar 2022 gilt, hat jetzt das Bundessozialgericht entschieden. Ecovis-Rechtsanwältin Heidi Regenfelder in München kennt die Details.
In den vor dem Bundessozialgericht (BSG) verhandelten Fällen war insbesondere die zeitliche Anwendbarkeit des Paragraphen 275 c Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auf Behandlungsfälle vor dem 1. Januar 2022 im Blick.
Der Sachverhalt
Konkret ging es um eine Krankenhausbehandlung im September 2020. Die Krankenkasse zahlte die in der Rechnung gestellte Vergütung und beauftragte den Medizinischen Dienst (MD) am 10. Dezember 2020 mit einer Abrechnungsprüfung. Der MD gelangte in seinem Gutachten vom 1. Februar 2022 zu dem Ergebnis, es sei ein geringerer Betrag abzurechnen. Das Krankenhaus akzeptierte den daraufhin von der Krankenkasse geltend gemachten Erstattungsanspruch und korrigierte seine Abrechnung. Die Krankenkasse setzte gegen das Krankenhaus eine Aufschlagszahlung in Höhe von 300 Euro fest.
Das Sozialgericht hob den Bescheid auf, da dieser formell und materiell rechtswidrig sei. Die Krankenkasse sei zu der Aufschlagserhebung nicht berechtigt gewesen. Paragraph 275 c Abs 3 SGB V sei auf den vorliegenden Abrechnungsfall zeitlich nicht anwendbar. Die Worte „ab dem Jahr 2022“ bezögen sich nicht auf die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse, sondern auf den Zeitpunkt der Einleitung der Prüfung.
Die Entscheidung des BSG
Diese Ansicht des Sozialgerichts hat das BSG bestätigt (B 1 KR 8/23 R). „Ab dem Jahr 2022“ knüpfe – entgegen der Rechtsauffassung der Krankenkasse – nicht an das Datum der leistungsrechtlichen Entscheidung an, sondern an den Zeitpunkt der Einleitung der Rechnungsprüfung und zeige sich nach außen durch die Beauftragung des MD. Dieser Zeitpunkt lag hier vor dem 1. Januar 2022.
Dies ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote für das Krankenhaus und Aufschlagszahlung, so das BSG in seiner Begründung. Die Berechnung des Aufschlags erfolge nach der seit 1. Januar 2022 geltenden quartalsbezogenen Prüfquote des Krankenhauses. Diese werde überhaupt erst seit dem Jahr 2022 berechnet. Von Aufschlägen können daher auch nur solche Prüfungen betroffen sein, die ab diesem Datum innerhalb quartalsbezogener Prüfquoten durchgeführt wurden.
Für die Zuordnung der Prüfung zur Prüfquote sei der Zeitpunkt der Einleitung der Prüfung maßgeblich. Für die Erhebung der Aufschlagszahlung sei deshalb aus systematischen Gründen ebenfalls auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Dies stehe auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des Paragraphen 275 c Abs. 3 SGB V: Mit der Einführung von Prüfquoten und Aufschlagszahlungen im Rahmen des MDK-Reformgesetzes wollte der Gesetzgeber eine Anreizwirkung für die Krankenhäuser zur regelkonformen Rechnungsstellung bewirken.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber den Beginn von quartalsbezogener Prüfquote und Aufschlagszahlung auf 2022 verschoben und die Verschiebung mit den pandemiebedingten Belastungen und Liquiditätsengpässen der Krankenhäuser begründet. Diesem Zweck würde eine nachträgliche Erhebung von Aufschlägen für vor dem 1. Januar 2022 begonnene Prüfungen von Rechnungen der Jahre 2020 und 2021 zuwiderlaufen.
Darauf sollten Sie achten
„Krankenhäuser sollten auf Festsetzungsbescheiden immer genau prüfen, ob die Abrechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst vor oder nach dem 1. Januar 2022 beauftragt wurde“, erklärt Heidi Regenfelder, Rechtsanwältin bei Ecovis in München. „Denn bei einer Beauftragung vor dem 1. Januar 2022 dürfen die Krankenkassen keine Aufschlagszahlung verlangen.“