Ärzte sind bei Ambulanzflügen sozialversicherungspflichtig
Ärzte sind sozialversicherungspflichtig, wenn sie bei Ambulanzflügen Passagiere betreuen und hierbei – von medizinischen Fragen abgesehen – weitgehend von organisatorischen und sonstigen Vorgaben ihrer Auftraggeber abhängig sind.
Wann Ärzte sozialversicherungspflichtig sind
In der Sozialversicherung sind Ärzte immer dann sozialversicherungspflichtig angestellt, wenn sie in ihrer Tätigkeit Weisungen eines anderen befolgen müssen. Sie sind in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert und vom Arbeitgeber persönlich abhängig. Eine besonders ausgeprägte Freiheit bei Ort und Zeit der Tätigkeit spricht in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbstständigkeit. Die Weisungsgebundenheit kann bei gehobenen Tätigkeiten auch eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.
Eine selbstständige Tätigkeit zeichnet sich durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte oder Praxis, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit aus. Diese Kriterien gelten für jede Berufsgruppe.
Der verhandelte Sachverhalt
Ein Chirurg schloss mit einem Unternehmen, das Ambulanzflüge durchführte, einen Werkvertrag für eine freiberufliche Honorartätigkeit. Das Unternehmen wollte ihn überregional im Rettungsdienst, Krankentransport, Sanitätsdienst sowie für Fahr- und Transporttätigkeiten einsetzen. Darüber hinaus sollte er auch bodengebundene Langstreckentransporte und Ambulanzflüge übernehmen.
Für den Sozialversicherungsträger überwogen die Merkmale für ein abhängiges Beschriftungsverhältnis. Somit war der Chirurg sozialversicherungspflichtig.
Das Urteil: Chirurg war an Weisungen gebunden
Ärzte handeln bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus lässt sich aber nicht ohne weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit schließen. So war der Chirurg ausdrücklich an Weisungen des leitenden Flugarztes gebunden und unterlag weiteren umfassenden Dienstanweisungen des Auftraggebers, so das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) am 23. Juni 2022 (L 4 BA 4/18). Er hat Patienten zwar auf dem Flug medizinisch begleitet. Für den organisatorischen Rahmen war aber der Auftraggeber oder Arbeitgeber verantwortlich: Er hatte die Flüge des Arztes zu buchen, für ihn erforderliche Visa zu beschaffen, Hotelreservierungen zu buchen und ihn mit einem Mobiltelefon mit weltweiter Auslandsfreischaltung sowie einer gültigen Kreditkarte auszustatten. Außerdem waren dem Arzt umfangreiche Dokumentationsaufgaben auferlegt. Darüber hinaus unterlag er einer Schulungsverpflichtung und bei seiner gesamten Tätigkeit der Beaufsichtigung, Steuerung und Kontrolle durch den Auftraggeber. Ferner durfte er dem angestellten Personal Weisungen erteilen. Er hatte keine eigene Betriebsstätte und mussten keine eigenen Arbeitsmittel oder eigenes Personal zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten einsetzen.
Darauf sollten Sie achten
Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ohne Bedeutung ist, dass der Arzt neben der Tätigkeit bei Ambulanzflügen auch noch einer Vollzeitbeschäftigung in einem Krankenhaus nachging. „Ein Nebeneinander von Beschäftigungen und selbstständiger Tätigkeit ist durchaus möglich. Insbesondere in der vertraglichen Ausgestaltung sollten Auftraggeber für Selbstständige untypische Regelungen zur Arbeitsunterbrechung, zum Arbeitsentgelt und zu Arbeitsunfähigkeit unterlassen“, rät Ecovis-Steuerberaterin Annette Bettker in Rostock.