Ehegattennotvertretungsrecht: Was das erste Jahr gebracht hat
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Ehegattennotvertretungsrecht: Was das erste Jahr gebracht hat

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Das Ehegattennotvertretungsrecht gibt es nun seit einem Jahr. Angekommen ist es im medizinischen Alltag noch nicht. Dennoch kann es Ärztinnen und Ärzten oder Kliniken die Arbeit bei Notfällen erleichtern – auch wenn der bürokratische Aufwand hoch ist.

Das Ehegattennotvertretungsrecht, geregelt in Paragraph 1358 Bürgerliches Gesetzbuch, hat Vertretungsmöglichkeiten eines Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners für den anderen Ehegatten oder Lebenspartner in gesundheitlichen Notsituationen eingeführt. Seither sind Partner oder Gatten kraft Gesetzes handlungsfähig und haben ein auf maximal sechs Monate begrenztes gesetzliches Vertretungsrecht. Dieses bedeutet, dass (Ehe-)Partner sich in Gesundheitsfragen vertreten können, wenn einer von ihnen „aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht in der Lage ist, seine Gesundheitsangelegenheiten selbst zu besorgen“.

Nach alter Rechtslage bestand ein solches Vertretungsrecht zwischen Eheleuten und verpartnerten Personen nur, wenn diese eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevoll macht für den jeweils anderen ausgestellt hatten. „War jemand aus gesundheitlichen Gründen, etwa wegen eines Schlaganfalls, nicht einwilligungsfähig, musste erst ein Gericht seinen Partner zu dessen Betreuer bestellen“, sagt Arndt Wilkes, Rechtsanwalt bei Ecovis in Rostock. Ein umständliches und langwieriges Verfahren, das gerade bei dringenden Behandlungen für alle Beteiligten wertvolle Zeit kosten kann.

Was die Ehegattenvollmacht abdeckt

Das Vertretungsrecht betrifft zum einen die Entscheidung über Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe und die Entgegennahme einer ärztlichen Aufklärung. Der behandelnde Arzt ist also von seiner Schweigepflicht entbunden. Zum anderen können die (Ehe-)Partner auch einzelne damit in engem Zusammenhang stehende vermögensrechtliche Angelegenheiten entscheiden. Dazu gehören etwa der Abschluss von Behandlungs- und Krankenhausverträgen oder Verträgen über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege.

Zudem können die vertretenden (Ehe-)Partner aus Anlass der Erkrankung des Partners zustehende Ansprüche gegenüber Dritten geltend machen. Dazu gehören beispielsweise im Falle eines Unfalls Ansprüche gegen den Unfallgegner und ihre Abtretung an die Leistungserbringer, etwa Krankenkassen. „Für bis zu sechs Wochen dürfen Partner sogar in freiheitsentziehende Maß nahmen einwilligen, also zum Beispiel der Verwendung von Bettgittern, einer Fixierung oder einer Sedierung zustimmen“, weiß Wilkes.

Was die Ehegattenvollmacht nicht umfasst

Die Vollmacht kommt nicht zum Einsatz, wenn der Patient vorher festgelegt hat, dass er keine Ehegattenvollmacht möchte, die Partner getrennt leben oder es eine anders lautende Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung oder Betreuungsverfügung gibt. So scheidet eine Notvertretung auch in Zukunft aus, wenn

  • die Eheleute/Partner getrennt leben,
  • dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der erkrankte Partner die Vertretung durch den anderen ablehnt,
  • bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund derselben Erkrankung eine Notvertretung stattgefunden hat,
  • dem Arzt eine Vorsorgevollmacht oder ein vergleichbares Dokument bekannt ist oder vorliegt oder
  • ein Gericht einen Betreuer bestellt hat.

Was die Neuerung für Ärzte bedeutet

Für Ärzte und Krankenhäuser bedeutet die Neuregelung sowohl eine Erleichterung als auch einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Grund: Behandelnde Ärztinnen und Ärzte müssen prüfen, ob die Voraussetzungen für das Ehegattenbetreuungsrecht vorliegen. Konkret heißt das:

  • Der vertretende Partner muss dem Arzt schriftlich bestätigen, dass das Vertretungsrecht bisher noch nicht ausgeübt wurde und kein Ausschlussgrund für das Ehegattenvertretungsrecht vorliegt.
  • Der Arzt muss dem vertretenden Partner das Vorliegen der Voraussetzungen der Notvertretung und den Zeitpunkt, zu dem sie spätestens eingetreten sind, schriftlich bestätigen. In dieser schriftlichen Bestätigung müssen die Voraussetzungen des Ehegattenvertretungsrechts und eventuelle Ausschlussgründe enthalten sein.
  • Sind alle Unterschriften geleistet, muss der Arzt das Dokument dem vertreten den Ehegatten übergeben. Dieser ist verpflichtet, es bei allen Vertretungshandlungen im Rahmen des Notvertretungsrechts vorzulegen.

Damit Ärzte eine solche Erklärung korrekt abgeben können – sofern ihnen keine Betreuungsvollmacht vorliegt –, müssen sie Einblick in das Zentrale Vorsorgeregister nehmen. Dort sehen sie, ob der Patient einen Widerspruch gegen das Notvertretungsrecht hinterlegt hat. Selbst wenn ein solcher Widerspruch nicht ersichtlich ist, werden Mediziner in den meisten Fällen darauf angewiesen sein, dass der Partner, der das Vertretungsrecht ausüben will, ihnen die Wahrheit zum Stand der Beziehung sagt.

„Nicht ersichtlich ist, ob nicht schon ein anderer Arzt eine entsprechende Bescheinigung ausgefüllt hat. Der Behandler muss sich also auf die Angaben des Ehegatten verlassen“, sagt Wilkes. Die neuen Regelungen sind gut gemeint, dürften in der Praxis aber nicht immer für die gewünschte Rechtssicherheit sorgen. Der bürokratische Aufwand scheint nicht sehr praxistauglich, und so verwundert es auch nicht, dass die Anwendung des Notvertretungsrechts noch nicht flächendeckend im medizinischen Alltag angekommen ist.

Ehegattennotvertretungsrecht: Wie das Ärzteeinsichtsrecht funktioniert

Ärztinnen und Ärzte, die nicht mehr ansprechbare Patienten behandeln, können rund um die Uhr abfragen, ob sie beim Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) eine Vorsorgevoll macht, Patientenverfügung, Betreuungsverfügung oder einen Widerspruch gegen das Ehegattennotvertretungsrecht registriert haben. Der Arzt kann dadurch zum Beispiel schnell mit einer eingetragenen Vertrauensperson in Kontakt treten und sich von dieser die sie bevollmächtigende Urkunde vorzeigen lassen.

Das ZVR ist an die Telematikinfrastruktur (TI) der gematik GmbH angebunden. Somit können sich Ärztinnen und Ärzte aus der TI heraus authentifizieren und sich beim ZVR anmelden. Für eine Zugangsmöglichkeit benötigen Ärztinnen und Ärzte dieses Setup:

  • Anbindung an die Telematikinfrastruktur,
  • einen gültigen und aktivierten elektronischen Heilberufsausweis (eHBA),
  • ein Kartenlesegerät und
  • die Software Authenticator der gematik GmbH.
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