Rechtliche Fragen
Kaum ein Berufsstand ist so sehr Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien unterworfen wie der der Ärzte. Das Berufsrecht, die Heilberufsgesetze der Länder, bei der Versorgung gesetzlich versicherter Patienten das Vertragsarztrecht und nicht zuletzt die Rechtsprechung zu arztrechtlichen Fragen wollen beachtet sein. Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Regelungen für den Start in die Selbstständigkeit vor.
Mit der Approbation und der Anzeige der ärztlichen Tätigkeit bei der zuständigen Ärztekammer haben Sie bereits das Recht, als Privatarzt an Ihrem Praxissitz tätig zu werden.
Wenn Sie sich als „Vertragsarzt“ an der Versorgung der Bevölkerung über die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) beteiligen möchten, benötigen Sie eine Vertragsarztzulassung, die bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu beantragen ist. Die KV ist eine Organisation der ärztlichen Selbstverwaltung und verteilt das von den gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung gestellte Honorar („Gesamtvergütung“). Ihre Aufgabe ist die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung, sie vertritt aber auch die Rechte der Ärzte gegenüber den gesetzlichen Krankenversicherungen.
1. Eintragung in das Arztregister der KV
Erste Voraussetzung für eine Vertragsarztzulassung ist die Eintragung in das Arztregister der KV in Ihrem Bezirk. Wir empfehlen auch angestellten oder nur privatärztlich tätigen Ärzten diese Eintragung, da sie auch ohne konkrete Niederlassungsabsicht möglich ist und Sie in die Lage versetzt, sich jederzeit bei Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes zu bewerben oder eine eigene, neue Zulassung zu beantragen. Voraussetzung ist die Approbation und eine abgeschlossene Weiterbildung, für Zahnärzte die Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit. Im Wesentlichen sind folgende Unterlagen einzureichen: Antragsformular, Geburtsurkunde, Approbationsurkunde, Anerkennung als Facharzt, der Nachweis über die ärztliche Tätigkeit nach bestandener Prüfung bzw. über die zahnärztliche Vorbereitungszeit.
2. Zulassung als Vertragsarzt durch die KV
Die Zulassung als Grundlage der Berechtigung zur Teilnahme an der ambulanten ärztlichen Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten erteilt der zuständige Zulassungsausschuss auf Ihren Antrag hin. Der Antrag muss schriftlich erfolgen; in ihm ist anzugeben, für welchen Vertragsarztsitz und mit welcher Facharztbezeichnung die Zulassung beantragt wird. Weiter sind die Bescheinigungen über die seit der Approbation ausgeübten ärztlichen Tätigkeiten, ein Lebenslauf sowie ein polizeiliches Führungszeugnis, das bei Termin vor dem Zulassungsausschuss nicht älter als 6 Monate sein darf, vorzulegen. Bitte beachten Sie, dass für die Antragstellung immer Fristen einzuhalten sind und die Zu- lassung häufig nur zu Beginn eines neuen Quartals erteilt wird, sonst entstehen zusätzliche Gebühren.
Besteht im Zulassungsbezirk in der von Ihnen gewünschten Fachrichtung eine Überversorgung, verhängt der zuständige Landesausschuss Zulassungsbeschränkungen. Eine Zulassung wird dann nur noch in Ausnahmefällen (Sonderbedarfszulassung) erteilt.
Im Fall von Zulassungsbeschränkungen führt der Weg zur Zulassung nur über das Nachbesetzungs- verfahren: Beendet ein Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit, kann er seine Praxis an einen Nachfolger verkaufen und gleichzeitig beim zuständigen Zulassungsausschuss die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes beantragen. Dieser entscheidet dann zunächst, ob die Nachbesetzung unter Versorgungsgesichtspunkten erforderlich ist und leitet dann im Regelfall das Ausschreibungsverfahren ein.
Auf die Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes können sich Ärztinnen und Ärzte der entsprechenden Fachrichtung bewerben. Das Gesetz sieht vor, dass der Zulassungsausschuss dann unter den Bewerbern nach bestimmten Kriterien wie berufliche Eignung, Approbationsalter oder Dauer der ärztlichen Tätigkeit, den geeignetsten Nachfolger aussucht. Einige Kriterien geben einen „Bonus“ bei der Auswahlentscheidung, so z.B. eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet oder ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen.
Entscheidend im Nachbesetzungsprozess ist die Kommunikation des Verkäufers mit allen Bewerbern im Vorfeld, wenn er sich selbst für einen bestimmten Nachfolger entschieden hat. Meist ziehen die anderen Bewerber ihre Bewerbung zurück, wenn sie erfahren, dass zwischen Verkäufer und einem Nachfolger bereits Einigkeit über die Praxisübernahme besteht. Ist dies nicht der Fall, müssen Sie dringend rechtlichen Rat einholen, da das Verfahren dadurch erschwert wird.
3. Anzeige bei der zuständigen Ärztekammer
Jede ärztliche Tätigkeit in eigener Praxis ist der zuständigen Ärztekammer anzuzeigen. Dies gilt auch für Praxiszusammenschlüsse, Anstellungen von Ärzten etc.
4. Qualitätsmanagement
Vertragsärzte sind verpflichtet, innerhalb von vier Jahren nach Aufnahme ihrer Tätigkeit ein Qualitätsmanagementsystem in ihrer Praxis einzuführen. Ein solches System hat die Effektivität und Qualität der Patientenversorgung, der Behandlungsabläufe, das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter zum Ziel und sollte nicht als lästige Pflicht, sondern als Hilfestellung zur besseren Strukturierung der Abläufe in der Praxis verstanden werden. Eine Zertifizierung ist nicht vorgeschrieben.
Das praxisinterne Qualitätsmanagement (QM) trägt dazu bei, die Qualität medizinischer Leistungen zu erhöhen und Praxisabläufe effizienter zu gestalten. Das reicht von der Optimierung der Terminvergabe bis hin zur Erstellung und Überprüfung des Notfallplans. So kommt QM den Praxismitarbeitern ebenso zugute wie den Patienten.
Einführung von QM verpflichtend
Gemäß § 135a Abs. 2 SGB V sind alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Psychologischen Psychotherapeuten verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement (QM) einzuführen und kontinuierlich weiterzuentwickeln.
5. Haftpflichtversicherungen
Die Musterberufsordnung der Ärzte und Zahnärzte sieht eine Pflicht vor, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Um das versicherte Risiko richtig darstellen zu können, ist darauf zu achten, dass Sie gegenüber dem Versicherungsunternehmen die tatsächliche ärztliche Tätigkeit nach Art und Umfang angeben, da sich andernfalls Deckungslücken auftun können. Tätigkeitsänderungen sind grundsätzlich anzuzeigen.
6. Keine Gewerbeanmeldung
Als Arzt üben Sie einen freien Beruf aus und müssen daher Ihre Praxis nicht als Gewerbe anmelden. Wenn Sie aber zusätzlich gewerbliche Tätigkeiten ausüben (z.B. Verkauf von Heilmitteln, Kontaktlinsen oder Nahrungsergänzungsmitteln in der Praxis), fachfremde Ärzte beschäftigen oder mehr als drei Kollegen anstellen, kann das dazu führen, dass Ihre Praxis als Gewerbebetrieb angesehen wird. Insbesondere Gemeinschaftspraxen müssen hier vorsichtig sein, da die Gefahr besteht, dass dann sämtliche Einkünfte der Praxis als gewerblich und entsprechend gewerbesteuerpflichtig gelten. Sprechen Sie hier bitte rechtzeitig mit Ihrem Steuerberater! Zudem sind die Regelungen in der Berufsordnung zu beachten. Gewerbliche Tätigkeiten, die den ethischen Grundsätzen des ärztlichen Berufs widersprechen, sind untersagt.
7. Wichtige berufsrechtliche Bestimmungen
Als Arzt unterliegen Sie in Ihrer freien Berufsausübung den Bestimmungen der Berufsordnung der einzelnen Bundesländer, auch im Bürgerlichen Gesetzbuch sind einige arztspezifische Pflichten niedergelegt. In Auszügen werden nachfolgend einige dieser Pflichten und Gebote dargestellt.
7.1. Verordnung und Empfehlung von Arzneimitteln
Ärzte dürfen für die Rezeptierung bzw. Empfehlung von Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln keine Vergünstigungen annehmen und empfangene Muster nicht kostenpflichtig weitergeben. Dem Arzneimittelmissbrauch ist im Rahmen der Möglichkeiten entgegenzuwirken und es sind Vorkehrungen gegen die Entwendung von Arztstempeln und Rezeptformularen zu treffen. Auftretende Nebenwirkungen sind unverzüglich der Arzneimittelkommission mitzuteilen.
7.2. Informationspflichten
Die Rechtsprechung geht schon lange davon aus, dass der Patient über die Behandlung und insbesondere über operative Eingriffe „im großen und ganzen“ aufgeklärt werden muss. Die Art des Eingriffs, mögliche Risiken und Komplikationen, Alternativbehandlungen und das vom Patienten im Rahmen der Behandlung geforderte eigenverantwortliche Verhalten sollen ihm verständlich gemacht werden. Mit der Aufnahme der Patientenrechte ins Bürgerliche Gesetzbuch sind diese Pflichten nun auch gesetzlich festgelegt: Insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu ergreifenden Maßnahmen müssen dem Patienten erklärt werden. Erkennt der Arzt, dass er einen Behandlungsfehler begangen haben könnte, muss er den Patienten darüber informieren, wenn dieser nachfragt oder wenn es zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren erforderlich ist.
Neu hinzugekommen ist die sogenannte „wirtschaftliche Aufklärungspflicht“: hat der Arzt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren.
7.3. Dokumentationspflichten
Die Dokumentationspflicht ist Ausfluss der Rechenschaftspflicht des Arztes gegenüber dem Patienten. Wichtig sind hier auch die besonderen Verwahrpflichten, die über das im Zivilrecht übliche Maß hinausgehen. Detaillierte Aufzeichnungen dienen bei der Vielzahl der Patienten nicht nur als Gedächtnisstütze, sondern liegen auch im Interesse des Patienten beispielsweise zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen und falschen Medikationen. Die gestellte Diagnose und angeordneten Maßnahmen sind für jeden Patienten getrennt aufzuzeichnen, so beispielsweise:
Datum des Besuchs …………………………………………. EKG- und CTG-Streifen
Anamnese …………………………………………………….. Laborbefunde
Beschwerden …………………………………………………. Überweisungsempfehlungen
Untersuchungen………………………………………………. Untersuchungsergebnisse
(Verdachts-) Diagnosen …………………………………….. Wiedereinbestellungen
Therapien und ihre Wirkungen …………………………….. Eingriffe und ihre Wirkungen
Verordnung von Arzneimitteln ……………………………… Warnhinweise an den Patienten
Ergebnis der Behandlung …………………………………… Weigerungserklärung des Patienten
Art der Nachbehandlung …………………………………… Einsatz von Blut und Blutprodukten
Sektionsbefunde……………………………………………… Chargennummer
Operationsberichte…………………………………………… Name und Hersteller des Präparates
besondere Behandlungsarten ……………………………… Dosis und Datum der Applikation Einwilligung und Aufklärungen
Zwischenfälle
Arztbriefe
Die Dokumentation ist in einem möglichen Schadenfall von erheblicher Bedeutung. Nur mit einer guten Dokumentation kann der Arzt seinen Pflichten zur Beweisführung in einem Haftpflichtprozess nachkommen.
Der Patient hat ein Recht auf Einsicht in die Patientenakte, die im Regelfall 10 Jahre aufzuheben ist, wenn nicht in Sonderfällen längere Aufbewahrungsfristen bestehen (z.B.: Strahlenschutzverordnung, Röntgenverordnung, Transfusionsgesetz)
7.4. Schweigepflicht
Die ärztliche Schweigepflicht dient einerseits dem Schutz der Privatsphäre der Patienten, die sich einem Arzt anvertrauen. Andererseits dient sie auch dem Arzt selbst, denn das für die Behandlung notwendige Vertrauensverhältnis kann nur entstehen, wenn der Patient sich darauf verlassen kann, dass die dem Arzt anvertrauten Informationen nicht unbefugt weitergegeben werden. Regelmäßig besteht die Schweigepflicht hinsichtlich aller Sachverhalte, die dem Arzt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder auf andere Weise bekannt wurden. Die Schweigepflicht gilt (mit wenigen Ausnahmen) gegenüber jedem. Das sind z.B. auch Angehörige eines Betroffenen (auch von Minderjährigen ca. ab dem 15. Lebensjahr, wobei hier Alter und Einsichtsfähigkeit zu berücksichtigen sind), Berufskollegen und Vorgesetzte des Schweigepflichtigen, soweit diese nicht selbst mit der Bearbeitung des konkreten Falles des Betroffenen befasst sind sowie Freunde und Familienangehörige des Arztes. Ein Verstoß kann u.a. empfindliche strafrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen für den Arzt nach sich ziehen.
7.5. Zuweisung gegen Entgelt
Ärzten ist es nach der Berufsordnung nicht gestattet, sich für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial Geld oder andere Vorteile versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Es ist dabei nicht nur die „Fangprämie“, sondern auch das sog. „Koppelgeschäft“, das die Höhe der Vergünstigung von der Anzahl der in Auftrag gegebenen Untersuchungen bzw. überwiesenen Patienten abhängig macht, verboten. Ein solches Verhalten kann darüber hinaus disziplinarrechtlich von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung geahndet werden, da auch im Vertragsarztrecht ein entsprechendes Verbot besteht. Ein solches Disziplinarverfahren kann bis zum Entzug der Zulassung führen. Strafbar ist die Zuweisung gegen Entgelt bisher nicht, es bestehen aber von vielen Seiten Bestrebungen, eine solche Regelung ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.