Fernverkaufsregelung – die beiden großen Irrtümer in der Steuerberatungspraxis
Mit der großen EU-Umsatzsteuerreform ist zum 01.07.2021 die sogenannte „Fernverkaufsregelung“ in Kraft getreten. Die Lieferschwellen der einzelnen EU-Länder für den Versand von Unternehmern an Privatkunden sind durch eine einheitliche EU-weite Lieferschwelle von nur 10.000 EUR ersetzt worden.
Uns sind in der Beratungspraxis zwei große Irrtümer begegnet, auf welche wir aufgrund der enormen Tragweite hinweisen wollen:
1. Die Steuerpflicht in den einzelnen EU-Ländern besteht nach dem neu gefassten § 3c UStG ab dem 01.07.2021 bereits, sofern die Schwelle von 10.000 EUR im Vorjahr 2020 überschritten wurde. Das zusätzliche Überschreiten der 10.000 EUR im laufenden Jahr 2021 ist nicht erforderlich.
Beispiel für das Jahr 2021:
Sachverhalt: Im Vorjahr wurde ungünstiger Weise eine alte Produktionsmaschine aus dem Anlagevermögen des Onlinehändlers mit einem Wert von 10.010 EUR an eine Privatperson in einem anderen EU-Land veräußert. Am 10.07.2021 wird Ware im Wert von 10 Euro an eine Privatperson in Polen geliefert. Am 15.07.2021 erfolgt eine Lieferung an eine Privatperson in Frankreich über 5 EUR.
Folge: Ab dem 01.07.2021 sind alle Lieferungen des Onlinehändlers an Privatpersonen in den entsprechenden Empfangs-Mitgliedstaaten steuerpflichtig. Damit der Unternehmer sich nicht in Polen und Frankreich steuerlich registrieren lassen muss, um dort Erklärungen einzureichen, kann er das OSS-Verfahren anwenden. Diese Registrierung musste bis zum 10.08.2021 erfolgen.
2. Einige Onlinehändler glauben zudem, über FBA (Fulfillment by Amazon) nur Warenbewegungen nach Österreich, Polen und Tschechien zu verwirklichen, da sie diese Länder freigeschalten haben. Es sollten unbedingt die Transaktionsdaten angesehen werden, um zu prüfen, ob nicht doch weitere Länder über Amazon beliefert wurden. Wir haben in der Praxis Fälle gesehen, in denen innerhalb von zwei Monaten nahezu alle EU-Mitgliedstaaten beliefert wurden.