Die Limited nach dem Brexit
Der Brexit erzeugte insbesondere im Handelsverkehr zwischen Großbritannien und der Europäischen Union weitreichende Konsequenzen. Diese sollten durch den Abschluss des Handels- und Kooperationsabkommen zwar abgemildert werden. Allerdings ließ das Abkommen viele Fragen unbeantwortet. Das gilt auch für die Beurteilung der britischen Limited (Ltd.) mit tatsächlichen Verwaltungssitz in einem Mitgliedstaat der EU.
Die bisherige Rolle der Limited
Vor dem Brexit erfreute sich die Limited auch außerhalb des Vereinigten Königreichs einer enormen Beliebtheit. Zwar wurde bis zum Anfang der 2000er Jahre die englische Limited nicht als eine Kapitalgesellschaft anerkannt mit der Folge, dass auch die Haftungsbeschränkung nicht griff. Denn Deutschland weigerte sich über die Wahl ihres Gesellschaftsstatutes hinaus zu sehen. Das lag und liegt an der insoweit vertretenen Sitztheorie. Deutschland modifizierte diese Theorie, indem es einen Wegzug aus dem Land rechtlich umstandslos gestattet, den Zuzug jedoch unter strenger rechtlicher Einbehaltung begutachtet. Der BGH bestätigte dieses Vorgehen mit den Urteilen „Jersey“ und „Trabrennbahn“. Für die zugezogenen Limiteds in Deutschland hatte das zur Folge, dass sie ihre Rechtsform als Kapitalgesellschaft verloren und sie fortan als Personengesellschaft (ohne Haftungsbeschränkung) beurteilt wurden. Auch steuerrechtlich ergaben sich dadurch weitreichende Folgen. Erst durch die Urteile des EuGH „Centros“, „Überseering“ und „Inspire-Art“ ergaben sich für die Limiteds auf Grundlage der europäischen Niederlassungsfreiheit nach Art. 54 AEUV neue Dimensionen für die Rechtsformwahl und für die Wahl des Ortes des effektiven Verwaltungssitzes einer Gesellschaft. Die Anerkennung der zugezogenen Gesellschaften unter Beibehaltung der Haftungsbeschränkung – wie wir sie bis vor dem Brexit kannten – war damit erschaffen.
Nach dem Brexit: Zurück zu den Anfängen?
Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich das Urteil vom OLG München (29 U 2411/21 v. 05.08.2021). Hinsichtlich der Fragestellung, welches Recht auf die in dem Rechtsstreit involvierte Limited anzuwenden ist, ergibt sich – nach Auffassung des Gerichts – mangels Existenz von Kollisionsregelungen aus dem sekundären Unionsrecht sowie dem deutschen Recht, die in Bezug auf Gesellschaften gelten, erneut die Anwendbarkeit der Sitztheorie. Nach dieser ist auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, auf dessen Gebiet sich der Sitz der Hauptverwaltung der betreffenden Gesellschaft (also der Verwaltungssitz) befindet. Der Sitz der Hauptverwaltung ist nach der Sandrock’schen Formel regelmäßig dort zu verorten, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Dieser befindet sich im Falle der Limited vor dem OLG München mangels hinreichender anderweitiger Glaubhaftmachung in Deutschland. Das hat zur Konsequenz, dass auf die britische Limited, das deutsche Gesellschaftsrecht anzuwenden ist. Da dieses jedoch die Gesellschaftsform der Limited nicht kennt, kann diese Gesellschaftsform nicht mehr als rechtsfähig anerkannt werden. Entsprechend ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sei – so das Gericht – die Limited deshalb entsprechend als GbR, OHG oder einzelkaufmännisches Unternehmen zu bezeichnen, sodass die persönliche Haftung der Gesellschafter greift.