Unternehmensstrafrecht zunächst gescheitert

Unternehmensstrafrecht zunächst gescheitert

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Anfangs stellte das Unternehmensstrafrecht (oder besser: Verbandssanktionengesetz) eines der Prestigeprojekte im Koalitionsvertrag dar. Nunmehr dürfte klar sein, dass zumindest die aktuelle Regierung mit diesem Projekt gescheitert ist.

Der Status quo des Projekts

Seit der Einführung des ersten Referentenentwurfs im August 2019 kam es zwar immer wieder zu kleineren Debatten. Eine größere Aufmerksamkeit konnte das Thema allerdings nicht erreichen. Spätestens im Herbst 2020 mit der fundamentalen Kritik des Bundesrates und von zahlreichen Wirtschaftsvertretern an der konkreten Ausarbeitung des Gesetzes wurde auch dem BMJV bewusst, dass eine erfolgreiche Verabschiedung in weite Ferne rückt. Deshalb liegt das Gesetz seit Oktober 2020 unverändert im Bundestag und führt das anfängliche Schattendasein weiter.

Der Inhalt des Entwurfs

Dem neuen Unternehmensstrafrecht liegen folgende Formulierungen des Koalitionsvertrags zugrunde:

  • „Wir werden sicherstellen, dass bei Wirtschaftskriminalität grundsätzlich auch die von Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierenden Unternehmen stärker sanktioniert werden“,
  • „Bislang liegt es im Ermessen der zuständigen Behörde, ob auch das betreffende Unternehmen verfolgt wird. Durch die Abkehr vom Opportunitätsprinzip des bislang einschlägigen Ordnungswidrigkeitenrechts sorgen wir für eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung“,
  • „Die geltende Bußgeldobergrenze von bis zu zehn Millionen Euro ist für kleinere Unternehmen zu hoch und für große Konzerne zu niedrig. Wir werden sicherstellen, dass sich die Höhe der Geldsanktion künftig an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientiert. Bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz soll die Höchstgrenze bei zehn Prozent des Umsatzes liegen“,
  • „Um Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen, werden wir gesetzliche Vorgaben für „Internal Investigations“ schaffen, insbesondere mit Blick auf beschlagnahmte Unterlagen und Durchsuchungsmöglichkeiten“,
  • „Wir werden gesetzliche Anreize zur Aufklärungshilfe durch „Internal Investigations“ und zur anschließenden Offenlegung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse setzen“.

Die Wertungen spiegeln sich anhand der folgenden Leitlinien im Gesetzentwurf wider:

Einführung des Legalitätsprinzips

Soweit es sich nach dem Entwurf beurteilen lässt, sollen künftige Verfolgungen auf Grundlage des Unternehmensstrafrecht nicht mehr im Ermessen der Behörde stehen (Opportunitätsprinzip), sondern muss die jeweilige Behörde ein Verfahren verpflichtend eröffnen (Legalitätsprinzip), wenn ein Anlass dafür besteht. Zwar finden sich in den §§ 35, 36, 37 VerSanG-E anderweitige Möglichkeiten. Diese stellen jedoch lediglich Ausnahmen dar.

Konkrete Strafen

Eine Verbandssanktion soll dann verhängt werden, wenn einer der folgenden Fälle zutrifft:

  1. Wenn jemand als Leitungsperson dieses Verbandes eine Verbandstat begangen hat oder
  2. sonst in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbandes eine Verbandstat begangen hat, wenn Leitungspersonen des Verbandes die Straftat durch angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten wie insbesondere Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht hätten verhindern oder wesentlich erschweren können.

Kooperationsmöglichkeit der betroffenen Unternehmen

Ist dem Unternehmen daran gelegen, die Auswirkungen der nach dem Gesetzesentwurf fast schon obligatorisch scheinenden Sanktionierung abzumildern, kann es interne Untersuchungen entweder selbst vornehmen oder Dritte mit deren Durchführung beauftragen (§ 16 VerSanG-E). Grundsätzlich lassen sich hierdurch eine Unterbrechung des gegen das Unternehmen geführten Verfahrens (§ 41 VerSanG-E), eine Halbierung des vorgesehenen Höchstmaßes der Unternehmenssanktion sowie ein Entfall des Mindestmaßes und eine Vermeidung der öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes erreichen (§ 18 VerSanG-E).

Beschlagnahme von Unterlagen

Laut Entwurf sollen in Zukunft alle im Rahmen von internen Untersuchungen entstandenen Aufzeichnungen und Unterlagen, welche sich im Besitz bzw. Gewahrsam von Rechtsanwälten befinden, beschlagnahmt werden dürfen. Diesbezüglich ergaben sich äußerst kontroverse Debatten, die durchaus zu Änderungen bei einem tatsächlich verabschiedeten Gesetz führen dürften. In der momentanen Fassung jedoch bleiben all solche Unterlagen grundsätzlich beschlagnahmefähig, soweit der betroffene Verband nicht bereits als Beschuldigter in einem Strafverfahren geführt wird.

Verbandssanktionenregister

Ebenfalls vorgesehen ist die Einführung eines extra Strafregisters, welches zusätzlich zum Bundeszentralregister beim BMJV geführt werden soll.

Aussicht

Obgleich der jetzige Entwurf nicht mehr in der aktuellen Legislaturperiode umgesetzt werden dürfte, wird eine Verabschiedung des Unternehmensstrafrecht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die nächste Regierung erfolgen. Ein kompletter Verzicht kommt bereits deshalb nicht infrage, weil der politische Druck auf europäischer Ebene weiter anwächst. Jedenfalls wird die nächste Regierung aber enger mit den betroffenen Verbänden zusammenarbeiten müssen, um die derzeit bestehenden Missstände beseitigen zu können.

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