Corona-Einschränkungen im Rechtsalltag

Corona-Einschränkungen im Rechtsalltag

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Die Corona-Pandemie betrifft uns alle. Insbesondere Unternehmer müssen in dieser Zeit ein hohes Maß an Flexibilität, Durchhaltevermögen und Unternehmergeist an den Tag legen. Und auch in juristischer Hinsicht wird den Betroffenen nicht wenig abverlangt. Denn – auch wenn man sich im Laufe der Unternehmerzeit für gewisse Bereiche juristisch „sensibilisiert“ hat – kommen einem diese Kenntnisse wohl kaum bei den derzeitigen Corona-Einschränkungen zugute. Dazu kommt, dass in eher illiquideren Zeiten, das Einholen professionellen juristischen Rats umso schwerer fällt. Dabei kann gerade dieser Licht ins Dunkel bringen und die Krise insgesamt skalierbar machen.

Anhand mehrerer exemplarischer „Corona-Beispielfälle“ möchten wir Ihnen die Situation verdeutlichen. Bitte beachten Sie allerdings insofern, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt. Denn jeder Fall ist von einzelnen Nuancen und Wertungen abhängig und kann in deren Abhängigkeit ganz anders zu entscheiden sein, als es auf den ersten Blick zu erscheinen vermag. Auch deshalb (und aufgrund sich stetig entwickelnder Rechtsprechungen und Rechtslagen) können wir an dieser Stelle weder für die Richtigkeit und Allgemeingültigkeit noch für die Vollständigkeit der Lösungen garantieren. Die Fälle sollen Ihnen vielmehr bei der Abwägung helfen, ob Sie juristischen Rat einholen sollten oder darauf verzichten können.

Fall 1 – Lebensmittelhändler

Großhändler G beliefert den Restaurantbetreiber R regelmäßig mit Froschschenkeln. G führt diese aus Frankreich ein. Durch die pandemiebedingten Grenzkontrollen erhöhen sich der Transportaufwand und letztlich auch die Transportkosten des G. Die Preise für die Froschschenkel hingegen bleiben stabil. Muss G sich an den vorher geschlossenen Vertrag mit R halten?

§ 275 II BGB

Im Zivilrecht gilt grundsätzlich, dass Verträge einzuhalten sind. Trotzdem ist es in einigen Situationen möglich und auch notwendig, die bestehenden Vertragspflichten zu modifizieren. In diesem Fall bietet § 275 II BGB die Möglichkeit, eine entsprechende Einrede zu erheben. Voraussetzung dafür ist, dass der Erfüllungsaufwand des Schuldners (hier G) in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers (hier R) steht. Regelmäßig erfüllt ein rein wirtschaftlich erhöhter Preisaufwand des Schuldners (allein) nicht die Voraussetzung dieser Einrede. Vielmehr sind weitere Faktoren in die Abwägung einzubeziehen, wie zum Beispiel der tatsächliche, personelle, zeitliche und logistische Aufwand.

In unserem Fall 1 hat sich das Leistungsinteresse des R für die Lieferung der Froschschenkel nicht geändert, da die Preise insoweit stabil blieben. Gegenteiliges gilt hinsichtlich des Erfüllungsaufwands des G. Aufgrund der coronabedingten Lage ist sein (wirtschaftlicher) Aufwand gestiegen. Das allein ist für die Einrede des § 275 II BGB jedoch nicht ausreichend. Schließlich muss beachtet werden, dass der G in der vertraglichen Risikoverteilung das Beschaffungsrisiko zur Lieferung der Froschschenkel übernommen hat. Mithin liegen die Voraussetzungen des § 275 II BGB nicht vor.

§ 313 BGB

Durchaus möglich erscheint hingegen eine Anwendung des § 313 BGB. Durch die erhöhten Transportkosten könnte es zu einer Erschütterung des Preisgefüges gekommen sein. Dafür müsste sich das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung derartig verschoben haben, dass dem dadurch benachteiligten Vertragspartner ein weiteres Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Wann dies der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab. Dabei spielt die konkret entstandene Preisspanne etwa eine Rolle; aber auch deren Vorhersehbarkeit bzw. Inkaufnahme. Dementsprechend könnte der G unter der Voraussetzung hinreichender Kostenänderungen durchaus eine Anpassung des Vertrags verlangen. Ist den Parteien eine Anpassung nicht möglich oder unzumutbar, stünde dem G ein Rücktrittsrecht zu.

Fall 2 – Renitenter Arbeitnehmer

Ihr Arbeitnehmer A ist ein bekannter Corona-Skeptiker und nimmt an einer „Querdenker-Demonstration“ teil. Im Zuge der Demonstration verstößt A bewusst gegen die Hygienevorschriften. Stolz erzählt er Ihnen am nächsten Tag wahrheitsgemäß von den Begebenheiten des Vortags. Fünf Tage nach der Demonstration muss Ihr Betrieb aufgrund eines Infektionsausbruchs von mehreren Mitarbeitern, darunter auch A, schließen. Hat der A trotzdem einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts?

Der Vergütungsanspruch

Sicher ist bei dieser Sachlage, dass weder Sie als Arbeitgeber noch A als Arbeitnehmer seinen vertraglichen Pflichten nachkommen kann. Die Voraussetzungen des § 275 I BGB sind insoweit erfüllt. Dadurch ist die jeweilige Hauptpflicht unmöglich geworden. Regelmäßig entfiele deshalb auch der Vergütungsanspruch des A (§ 326 I 1 BGB). Allerdings sind in diesem Fall die Besonderheiten des Dienstvertragsrechts zu beachten. Denn nach § 616 BGB bleibt der Vergütungsanspruch weiterhin bestehen, sofern der A ohne Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Eben hier liegt die Problematik des Falls. Während ein Verschulden des A wohl hinreichend begründet werden könnte, stellt sich die Frage, ob auch ein ausreichender Beweis hinsichtlich eines ihn belastenden kausalen Verhaltens (also der Ursächlichkeit der Infektion) erbracht werden kann. Die Beweislast tragen Sie in diesem Fall. Sofern Ihnen der Beweis gelingt, etwa durch eine dokumentierte Infektionskette, so entfällt der Vergütungsanspruch des A für den gesamten Zeitraum der Verhinderung.

Weitere Rechtsfolgen

Bei einem grob fahrlässigen Verhalten des A entfällt nach § 617 I 1 BGB außerdem die Pflicht zur Krankenfürsorge. Denkbar sind auch etwaige Schadenersatzansprüche gegen den A. Allerdings muss hier – im Gegensatz zu oben – das Verschulden und die Kausalität bezüglich der Infizierung der anderen Mitarbeiter bewiesen werden. Letzteres dürfte insbesondere in Zeiten einer hohen Anzahl an Infizierten sehr schwer fallen.

 

Dieser Beitrag wird fortgesetzt.

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