Klimawandel: Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind keine „Kohlenstoff-Senken“
Kann die landwirtschaftliche Erzeugung mittels „Carbon Farming“ als Kohlenstoff-Senke fungieren und hierdurch den Ausstoß von Treibhausgasen kompensieren? Dieser Frage geht der Beitrag mit dem Fokus auf die klimawirksamen CO2-Emissionen nach.
Die Annahme, dass die landwirtschaftliche Erzeugung als Kohlenstoff-Senke fungieren kann, ist wissenschaftlich betrachtet äußerst fragwürdig. Humus in den Böden aufzubauen oder zu erhalten, ist jedoch unverzichtbar, um unter den Auswirkungen des Klimawandels die Produktivität der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu sichern. Die zunehmende Brisanz der Klimakrise führt dazu, dass in der Diskussion über die Rolle der Landwirtschaft zu deren Bewältigung teilweise eine unzulässige Verkürzung von Fakten vorgenommen wird. Beispiele: Die Landwirtschaft „binde“ in ihren Erzeugnissen große Mengen von Kohlenstoffdioxid (CO2), das derzeit bedeutsamste Treibhausgas (THG), und „schütze somit das Klima“; oder: landwirtschaftlich genutzte Böden könnten als ergiebige „Kohlenstoff-Senke“ fungieren. Solche Behauptungen führen aber in die Irre – die wirklichen Herausforderungen für Landwirtinnen und Landwirte in Zeiten des Klimawandels liegen ganz woanders.
Globale Erwärmung und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft
Der Grundmechanismus der menschengemachten globalen Erwärmung besteht in der Beeinflussung der Strahlungsbilanz der Erde, vor allem durch Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre. Der Ausstoß großer Mengen an THG verursacht einen positiven Strahlungsantrieb (Treibhauseffekt) und in der Folge eine Erwärmung der Erdoberfläche. In der öffentlichen Debatte weitaus weniger präsent ist der Ausstoß von Aerosolen. Das sind feste oder flüssige „Schwebeteilchen“, welche die Solarstrahlung verstärkt reflektieren und somit den Strahlungsantrieb verringern. Bis etwa im Jahr 1970 war der Nettoeffekt der gegenläufigen Wirkung von THG und Aerosolen nur leicht positiv, und der beobachtete Anstieg der mittleren Oberflächentemperatur der Erde gegenüber der vorindustriellen Zeit blieb mit rund 0,2 Grad gering.
Seither hat der positive Strahlungsantrieb infolge des Ausstoßes von Treibhausgasen (14. April 2024) um rund die Hälfte zugenommen, während durch Maßnahmen zur Luftreinhaltung deutlich weniger Aerosole emittiert wurden. In der Folge hat sich die Erdoberfläche bis heute im Mittel um weitere 0,9 Grad erwärmt – die Landflächen mit 1,44 Grad wesentlich stärker als die Ozeane mit 0,66 Grad. In Deutschland (und in Mitteleuropa insgesamt) war die Erwärmung gegenüber dem globalen Mittelwert nochmals stärker ausgeprägt und betrug in diesem Zeitraum mehr als 1,8 Grad (29. April 2024).
Die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft hierzulande begründen sich nicht direkt und in erster Linie auf den Anstieg der mittleren Temperaturen, sondern vor allem auf die damit verbundene Zunahme an Extremwettererscheinungen wie ausgedehnten Dürreperioden, Starkregen, Hagel oder Hitzewellen. Verbunden mit diesen Phänomenen, die voraussichtlich an Häufigkeit und Intensität zunehmen werden, sind drastisch steigende Kosten durch Ernteausfälle und Kosten für notwendige Investitionen für Vorsorgemaßnahmen.
Die Landwirtschaft als Quelle von Treibhausgasen
In der EU-27 sind dem Sektor Landwirtschaft knapp elf Prozent der gesamten CO2-Äquivalent-Emissionen zuzuordnen (Angaben 2022 für die EU-27, 29. April 2024). Im deutschen Emissionsinventar beträgt dessen Anteil rund sieben Prozent. Für den CO2-Ausstoß der landwirtschaftlichen Produktion sind im Wesentlichen vier Prozesse maßgeblich:
- Die Kalkung von Böden mit etwa 0,3 Prozent des gesamten CO2-Emissionsinventars.
- Die Anwendung von Harnstoff und anderen kohlenstoffhaltigen Düngemitteln (im Gesamtinventar vernachlässigbar).
- Die Nutzung fossiler Kraft-/Brennstoffe mit knapp einem Prozent des Gesamtinventars.
- Die Bewirtschaftung von „organischen Böden“, also entwässerten Moorböden.
Die Bewirtschaftung entwässerter Böden verursachte im Jahr 2022 knapp sechs Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen. Im Inventar wird sie aber nicht der Landwirtschaft, sondern dem Sektor Landnutzung zugerechnet.
Kohlenstoff-Kreislauf und Klimawandel
In der öffentlichen Diskussion über die spezielle Bedeutung der Landwirtschaft für den Kohlenstoff-Kreislauf und den Klimaschutz werden die Begriffe Bindung, Speicher oder Senke für CO2/Kohlenstoff (C) häufig nicht sauber voneinander getrennt. Zur begrifflichen Klarstellung:
- Als Kohlenstoff (C)-Senke gilt ein natürliches oder technisches System, das kontinuierlich C in Form von CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt und dauerhaft, über Jahrzehnte hinweg, festlegt.
- C-Speicher wird oftmals synonym zur C-Senke verwendet, macht jedoch keine nähere Aussage zum Umfang und zur Dauer der Festlegung von Kohlenstoff.
- C-Bindung bezeichnet im vorliegenden Zusammenhang die Umwandlung von CO2 in pflanzliche Biomasse durch den Prozess der Photosynthese.
- Zu ergänzen ist der Begriff C-Pool zur Charakterisierung von Systemen wie Wäldern, Ackerböden oder Mooren, die große Mengen an C in Form von Huminen, Cellulose, Hemicellulose und Lignin speichern. Während im Forst nahezu die Hälfte des organischen C im Holzbestand gebunden ist, befinden sich unter landwirtschaftlicher Nutzung 94 Prozent des C-Pools als Humus im Boden.
Wenn aus einem C-Pool dauerhaft CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird, wie es in besonders hohem Maße bei der landwirtschaftlichen Nutzung von Moorböden der Fall ist, so trägt dies prinzipiell zur globalen Erwärmung bei. In die entgegengesetzte Richtung sollen Maßnahmen des „Carbon Farming“ wirken, die auf eine Einspeicherung von CO2 durch den Aufbau des Humuskörpers in mineralischen Böden abzielen. Darunter fallen beispielsweise ein gezielter Zwischenfruchtanbau, die Umstellung auf Ökolandbau oder weiterreichende Maßnahmen wie die Agroforstwirtschaft (siehe Abbildung Seite 5). In jüngster Zeit bieten privatwirtschaftliche Unternehmen in Form von „Humuszertifikaten“ Landwirtinnen und Landwirten die Möglichkeit, für Maßnahmen zur Erhöhung des Bodenkohlenstoffgehalts eine Vergütung aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten zu erhalten.
Hierzu sollte man wissen, dass belastbare Messungen zur Änderung des Humusvorrats einen Beobachtungszeitraum von mindestens zehn Jahren erfordern, während bei „Humuszertifikaten“ Kontrollzeiträume von lediglich drei bis fünf Jahren üblich sind. Zudem muss man sich folgenden Sachverhalt bewusst machen: Um tatsächlich die globale Erwärmung zu begrenzen oder langfristig umzukehren, muss CO2 aus der Atmosphäre (und den Ozeanen, die mit dieser im Austausch stehen) entnommen und in einer geologischen oder gleichwertigen technischen Senke dem C-Kreislauf sicher und permanent entzogen werden. Die C-Pools in der Biosphäre bilden jedoch keine solchen sicheren C-Senken. Sie können in Abhängigkeit von der Bewirtschaftungsweise und den klimatischen Bedingungen selbst wieder zu C-Quellen werden.
Vor diesen Herausforderungen steht die Landwirtschaft
Eine Kernaufgabe von Landwirtinnen und Landwirten besteht darin, die Acker- und Grünlandböden mit den darin enthaltenen C-Pools möglichst nachhaltig zu bewirtschaften. Aufbau und Erhalt des Humuskörpers ist jedoch nicht auf den Aspekt der Kohlenstoffflüsse zu reduzieren, denn ein standortangepasster Humusgehalt ist auch essenziell für eine gute Aggregatstabilität, eine hohe Infiltrationsleistung, ein aktives Bodenleben und somit die Sicherung der Bodenfruchtbarkeit. Da mit weiter steigenden Temperaturen ein beschleunigter Humusabbau zu erwarten ist, wären allein zur Stabilisierung der Humusvorräte die Biomasseeinträge signifikant zu steigern. Die humusmehrende oder -erhaltende Flächenbewirtschaftung ist also eine Daueraufgabe, um die Anbausysteme widerstandsfähiger gegenüber den Folgen des Klimawandels zu machen.
Um hierfür einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, wäre eine Förderung beispielsweise im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik wesentlich effektiver als aus wissenschaftlicher Sicht fragwürdige und für den Klimaschutz letztlich unwirksame „Humuszertifikate“.
Das könnte Sie auch interessieren
Informationen zu den verwendeten Quellen und zur Literatur beim Autor. Eine Langfassung des Beitrags lesen Sie in „Schule und Beratung“ 1-2/2024, Seite 57 bis 60.