Wer ist zuständig für die Auflösung einer 6b-Rücklage?
Der Bundesfinanzhof (BFH) musste entscheiden, welches Finanzamt für die Auflösung einer Rücklage nach § 6b EStG zuständig ist, wenn der Gesellschafter (Mitunternehmer) zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.
Was der § 6b EstG bringt
Der § 6b des Einkommensteuergesetzes soll es den Betrieben erleichtern, ihre Betriebsstätte von der Innenstadt in das Industriegebiet am Standrand verlegen zu können. Möchte ein Unternehmen beispielsweise wegen seiner guten geschäftlichen Entwicklung expandieren, hat es aufgrund der wenig verfügbaren Flächen in der Innenstadt nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Problem bei einer solchen Umstrukturierung ist außerdem die damit verbundenen zu versteuernden Wertsteigerung (Aufdeckung stille Reserven). Vor allem bei Grundstücken und Gebäuden entstehen durch einen Verkauf in der Regel hohe Veräußerungsgewinne und damit auch eine hohe Steuerlast.
Durch den § 6b EStG müssen Betriebe die Veräußerungsgewinne nicht direkt versteuern. Stattdessen mindern diese Gewinne die Anschaffungskosten des neu erworbenen Grundstücks oder Gebäudes. Das verschafft Unternehmen einen Anreiz für Neuinvestitionen. Dank dieser Vorschrift können sich Betriebe an strukturelle Veränderungen anpassen.
Welche Voraussetzungen gelten und welche Übertragungen es gibt
Folgende Voraussetzungen müssen für die Inanspruchnahme des § 6b EStG erfüllt sein:
- Die Gewinnermittlung muss durch Betriebsvermögensvergleich erfolgen.
- Das verkaufte Wirtschaftsgut muss mindestens sechs Jahre zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben.
- Das neue Wirtschaftsgut muss ebenso zum Anlagevermögen zählen.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann der Betriebsinhaber entscheiden, ob er den Veräußerungsgewinn (Veräußerungspreis ./. Veräußerungskosten ./. Buchwert)
- sofort versteuert,
- ihn im gleichen Jahr auf ein anderes begünstigtes Wirtschaftsgut überträgt
- oder eine Rücklage für eine künftig vorgesehene Investition bildet.
Mögliche Übertragungen sind insbesondere aus der folgenden Tabelle ersichtlich:
Bildet ein Betrieb eine Rücklage, ist diese im Jahr der Übertragung auf das neue Wirtschaftsgut gewinnerhöhend aufzulösen. Hierbei mindern sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des neu erworbenen Anlageguts entsprechend. Grundsätzlich hat der Unternehmer vier Jahre Zeit die Rücklage aufzulösen. Der Zeitraum verlängert sich auf sechs Jahre, wenn er im vierten Jahr mit der Herstellung eines neuen Gebäudes angefangen hat, auf das er die Rücklage übertragen will.
Erfolgt allerdings innerhalb dieses Zeitraums keine entsprechende Investition ist die Rücklage aufzulösen. Zudem fällt ein Strafzuschlag in Höhe von sechs Prozent an. Die Auflösung sowie der „Strafzuschlag“ führen zu einer entsprechenden Gewinnerhöhung.
Der Fall: Gesellschafter ist nicht mehr an Gesellschaft beteiligt
Das Betriebs-Finanzamt einer gewerblichen KG hatte zunächst zu entscheiden, ob die Bildung der Rücklage nach § 6b EStG korrekt erfolgt ist. Das Ergebnis: Die Rücklage ist nicht zu beanstanden. Eine Übertragung der Rücklage erfolgte in diesem Fall jedoch nicht, da der Betrieb innerhalb der Frist kein geeignetes Wirtschaftsgut erworben hat. Somit musste er die Rücklage nach § 6b EStG wieder auflösen. Der betreffende Gesellschafter war zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr Beteiligter der Gesellschaft. Somit war fraglich, ob das Finanzamt, das für das Gewinnfeststellungsverfahren der KG zuständig ist, auch über die Auflösung der Rücklage zu entscheiden hat.
Der BFH folgte der Auffassung des Finanzamts nicht. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Wohnsitz-Finanzamt in diesem Fall die Entscheidungsbefugnis über die Auflösung der Rücklage hat (Urteil vom 12.07.2023, X R 14/21).
Das bedeutet das Urteil für die Praxis
Die spätere Auflösung in solch einem Fall führt bei dem ausgeschiedenen Gesellschafter zu nachträglichen gewerblichen Einkünften gem. § 24 Nr. 2 EStG. Diese unterliegen nicht der Gewerbesteuer. „Eine Auflösung im Rahmen des Gewinnfeststellungsverfahrens der Gesellschaft kommt nicht in Betracht, weil das Betriebs-Finanzamt nicht mehr für den bereits ausgeschiedenen Gesellschafter zuständig ist“, sagt Ecovis-Steuerberaterin Anja Weißflog in Chemnitz, „damit sind die nachträglichen Einkünfte aus der Auflösung in der Einkommensteuererklärung des Gesellschafters anzugeben.“
Wird die Rücklage im Gewinnfeststellungsverfahren erst im Nachhinein, wie bei diesem Urteil, aufgrund eines Einspruchs des Gesellschafters berücksichtigt, ist die Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 AO für den Einkommensteuerbescheid einschlägig. Damit lässt sich der bereits bestandskräftige Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters noch ändern, um den bisher nicht berücksichtigten Gewinn aus der Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG zu erfassen.