Verlust des Vorsteuerabzugs: Dezentral verbrauchter Strom führt nicht zu einer Lieferung
In zwei Urteilen vom 11. Mai 2023 und 29. November 2022 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein dezentraler Stromverbrauch durch Betreiber älterer Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen keine umsatzsteuerliche Lieferung ist. In der Folge könnten Vorsteuerbeträge für den dezentralen Stromverbrauch nicht geltend gemacht werden.
Hintergrund
Bisher wurde bei älteren Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen), die vor dem 1. April 2012 in Betrieb genommen wurden, eine Lieferung des Stroms an den Netzbetreiber und anschließender Rücklieferung an den Anlagenbetreiber fingiert. Voraussetzung war, dass der Betreiber den Strom privat verbraucht. Dies wird gemäß Paragraph 4 Absatz 3a des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) mit einem Zuschlag des Stromnetzbetreibers gefördert.
Da diese Umsätze der Umsatzsteuer unterliegen, kann der Betreiber Vorsteuerbeträge abziehen, die ihm selbst in Rechnung gestellt wurden. Das ist in Paragraph 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geregelt.
Auswirkungen der Rechtsprechung
Aus Sicht des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich jedoch nicht um eine Lieferung im Sinne des UStG, wenn für dezentral verbrauchten Strom ein KWK-Zuschlag gezahlt wird. Ebenso findet auch keine Lieferung des Stroms an den Anlagenbetreiber zurück statt. Da in der Praxis keine tatsächliche, physische Einspeisung von Strom stattfindet, ließe sich auch keine steuerpflichtige Lieferung annehmen, urteilen die Richter (V R 22/21 und XI R 18/21).
Dadurch müssen Betreiber der KWK-Anlagen den dezentralen Stromverbrauch als unentgeltliche Wertabgabe besteuern. Ein Vorsteuerabzug, der beim Anlagenerwerb geltend gemacht wurde, wäre dann rückgängig zu machen.
Empfehlung für die Praxis
„Obwohl sich die Richter gegen den Umsatzsteueranwendungserlass aussprechen, ist die Sicht der Finanzverwaltung gültig“, sagt Ecovis-Steuerberater Stefan Mack in Giengen. „Es handelt sich also weiterhin um Lieferung und Rücklieferung, wenn für den dezentralen Stromverbrauch ein Zuschlag gezahlt wird.“
Sollte die Rechtsprechung im Einzelfall jedoch vorteilhaft sein, lässt sie sich unter Berufung auf den BFH umsetzen. Dann wäre der dezentrale Stromverbrauch, für den der Betreiber einen KWK-Zuschlag bezieht, keine Lieferung an den Netzbetreiber. Stattdessen wäre dieser als unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern.
„Auch wenn sich die Urteile explizit auf KWK-Anlagen beziehen, könnte die Rechtsprechung auch bei Photovoltaikanlagen Anwendung finden“, erklärt Ecovis-Steuerberater Stefan Mack in Giengen. Und weiter: „Ein dezentraler Verbrauch des PV-Stroms wäre dann ebenso keine Lieferung und damit ein Vorsteuerabzug nicht möglich.